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Ein schöner Anblick.

Foto: APA/APA/Bruno
Berlin - Italiens Trainer Marcello Lippi hat sich in seiner Heimat mit dem WM-Triumph selbst ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt. "Das ist das Allergrößte, das übertrifft alle meine anderen Titel bei weitem - und ich hatte ja vorher immerhin schon mit Juventus die Champions League gewonnen", betonte der 58-jährige Toskaner nach dem Elferkrimi, in dem sich seine "Squadra" 5:3 gegen Frankreich durchsetzte.

"Ich danke diesen fantastischen Burschen von ganzem Herzen. Sie waren hungriger als alle anderen. Charakter, Herz und Einsatzwille dieses Teams sucht seinesgleichen. Ich bin glücklich, dass wir unserem Land eine große Freude bereitet haben - zu einem Zeitpunkt, an dem es so dringend nötig war", erinnerte Lippi aber in der Stunde seines größten Triumphs auch an den Manipulationsskandal in der Serie A, der Italien noch lange beschäftigen wird. Bereits am Dienstag sollen in der "Causa Calcio" die ersten Urteile bekannt gegeben werden.

Doch für Lippi ist das nicht sein, sondern "ein Problem der anderen". Für ihn zählt nur die Tatsache, dass er jetzt auf derselben Stufe steht wie sein großes Vorbild als Trainer, der legendäre Enzo Bearzot, der Italien 1982 zum dritten WM-Titel geführt hatte. Der Brillenträger mit der weißen Haarpracht hatte sich aber schon vor der erfolgreichen Endrunde in Deutschland einen Namen gemacht. Keine andere Equipe prägte das Bild der Serie A Mitte der 90er Jahre so sehr wie der von Lippi betreute Rekordmeister Juventus Turin.

Dem Taktik-Genie mit seinen unerbittlichen Trainingsmethoden war niemand gewachsen. Lippi entging nichts, er trieb sein Team ohne Rücksicht auf Verluste an. Fabrizio Ravanelli beispielsweise, ein an sich nicht übermäßig talentierter Stürmer, verdoppelte seine Torausbeute unter der Leitung des Perfektionisten aus Viareggio. Diese Strategie der unerbittlichen Kalkulation zahlte sich aus. Während seines ersten Engagements in Turin gewann Lippi nicht nur dreimal die Serie A (1995, 1997, 1998), sondern 1996 auch die Champions League.

Bis zu seinem Rücktritt im Februar 1999 führte Lippi die "Bianconeri" zwei weitere Male (1997 und 1998) ins Endspiel des weltweit wichtigsten Klub-Bewerbes. Einen Rückschlag erlitt der wegen seiner für italienische Verhältnisse fast stoischen Gelassenheit geschätzte "Mister" in Mailand. Sein 14-monatiges "Inter-Mezzo" endete für den Erfolgsverwöhnten mit der Entlassung und war zugleich der Anfang seines Turiner Comebacks mit zwei weiteren Titeln (2002, 2003).

2004 trat Lippi in Turin ein zweites Mal zurück. Der Weg zum Posten des "Comissario Tecnico" war frei. Im Nationalteam fand er als Nachfolger des aktuellen Salzburg-Cheftrainers Giovanni Trapattoni einen Scherbenhaufen vor - oder, wie es Alessandro Del Piero unmittelbar nach dem Vorrunden-Out bei der EM in Portugal formulierte, eine Mannschaft, "in der jeder gegen jeden schießt".

Lippi war daher mit seinem kompromisslosen Stil genau der richtige Mann, um die "Squadra" wieder auf Vordermann zu bringen. Er setzte Akzente ohne Rücksicht auf große Namen. Beim katastrophalen Debüt auf Island (0:2) verzichtete er auf den "Prinzen" Del Piero, stattdessen spielte erstmals Luca Toni.

"Er ist nicht in Form. Deshalb fehlt er im Aufgebot", begründete Lippi seine vor zwei Jahren unpopuläre Maßnahme. Del Piero und mit ihm auch die anderen Kicker-Diven begriffen die Botschaft des früheren Liberos von Sampdoria Genua (1962 bis 1979) und akzeptierten seine Entscheidungen in der Folge ohne Wenn und Aber. Nicht umsonst ist Italien seit mittlerweile 25 Spielen bzw. 20 Monaten ungeschlagen. Sogar ihr Elfer-Trauma bei WM-Endrunden legten die "Azzurri" im Endspiel in Berlin ab, Lippi machte wieder einmal alles richtig.

Trotz all dieser Erfolge stehen die Zeichen auf Abschied. Der Welt-Klubtrainer der Jahre 1996 und 1998 dementierte zwar Gerüchte über einen Wechsel zu Manchester United, doch die Kritik gegenüber seiner Person und Sohn Davide im Zuge des Manipulationsskandal stößt ihm noch immer bitter auf. Ihm seien ohne Grund kriminelle Machenschaften unterstellt worden, klagte Lippi vor dem Finale.

Nach dem Endspiel meinte er dann angesprochen auf seine Zukunft zu einem Reporter: "Stellen Sie mir eine andere Frage und lassen Sie uns jetzt einmal diesen großartigen Moment genießen." Italiens Zeitungen erwarteten nicht zuletzt auf Grund dieser Aussage noch am Montag seinen Rücktritt als Teamchef. (APA/SIZ/dpa)