Prag/Temelin - Das südböhmische Atomkraftwerk Temelin meldet einen neuen Störfall. Im zweiten Block wurde eine Undichtheit in der Druckluftleitung in dem nicht atomaren Teil festgestellt, nachdem der Reaktor am Sonntagabend nach einer planmäßigen Revision, in der die Regulationsbestandteile überprüft wurden, erneut gestartet worden war. Dies teilte der Temelin-Sprecher Milan Nebesar am heutigen Montag mit.

Die Techniker seien dabei, eine Reparatur vorzubereiten, wegen der der zweite Block wieder, aber "nur kurzfristig" abgeschaltet werden sollte, so der Sprecher. Am Montagvormittag lief der Reaktor des zweiten Blocks schon nur mit 62 Prozent. Was den ersten Block Temelins angeht, ist dieser schon seit längerem wegen einer geplanten Pause abgeschaltet, weil dort der reguläre Austausch der Brennstäbe im Gange ist.

Opposition kritisiert Umweltminister

SPÖ und Grüne kritisierten am Montag Umweltminister Josef Pröll. Es sei "skandalös", dass die im Melker-Prozess in Form eines Staatsvertrags zwischen Österreich und Tschechien vereinbarte vollständige Behebung der Sicherheitsmängel "ganz offensichtlich bis heute nicht erfolgt ist", sagte SPÖ-Umweltsprecher Jan Krainer laut einer Aussendung am Montag. Der eigentliche Skandal sei aber, dass Pröll bereits etliche Male den Bruch des Melker Vertrags ungerührt zur Kenntnis genommen und keinen Protest eingelegt habe.

"Pröll hat damit der tschechischen Regierung einen Persilschein für einen klaren Vertragsbruch des Melker-Protokolls ausgestellt. Der neuerliche Störfall verdeutlicht die Fahrlässigkeit des Umweltministers in dieser Causa", kritisierte Krainer.

Der Störfall in Temelin zeige neuerlich, dass die Probleme im tschechischen Atomkraftwerk nicht gelöst seien, sagte Brigid Weinzinger, Abgeordnete der Grünen. Seit der Inbetriebnahme habe es über 80 Zwischenfälle gegeben. Pröll müsse endlich auf die Stilllegung des "gefährlichen AKW drängen wie dies auch der Nationalrat mehrfach gefordert hat". Es sei offensichtlich, dass die Temelin-Betreiber kein Interesse haben würden, die nötigen umfassenden Nachrüstungen auch durchzuführen, sagte Weinzinger.

Kritik aus Oberösterreich

Der oberösterreichische FPÖ-Landesparteiobmann Lutz Weinzinger sprach in einer Presseaussendung von "Pannenrekorden". BZÖ-Obfrau Ursula Haubner forderte Aufklärung.

Temelin sei ein "misslungenes amerikanisch-russisches Experiment", betonte der Verein "Sonne+Freiheit" in einer Aussendung. Eine ganze Region werde dadurch "massiv gefährdet". Das Atomkraftwerk dürfe nicht wieder angefahren werden, sondern müsse von einer unabhängigen Expertenkommission inspiziert werden.

Lückenlose Auklärung gefordert

Die Organisation "atomstopp_oberoesterreich" nahm die österreichische Bundesregierung in die Pflicht. Auch sie verlangt eine Kommission, die die für eine lückenlose Aufklärung der jüngsten Vorfälle sorgen soll. Es werde zu neuen Protestwellen aus der Grenzregion kommen, wenn die Regierung der atomaren Bedrohung weiterhin ungerührt zusehe.

"Temelin wird sicherlich bald im Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen werden: Als jenes Atomkraftwerk mit den meisten Störfällen und Pannen und der längsten Liste an technischen Mängeln", betonte Weinzinger. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Umweltminister Josef Pröll (beide V) hätten den EU-Vorsitz nicht genutzt, um Tschechien auf die Einhaltung des Melker Abkommens zu drängen.

Haubner: Experten schicken

Haubner verlangte von Pröll, dass internationale und österreichische Experten nach Temelin gesendet werden, um Licht in die Vorfälle um den "Pannenreaktor" zu bringen. Sie erinnerte an das von mehr als 900.000 Österreichern unterzeichnete Volksbegehren. "Die Österreicher wollen keine Atomkraftwerke", betonte Haubner. (APA)