Berlin - Der frühere deutsche Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer hat seiner Partei, den Grünen, die gezielte Vorbereitung auf Dreier-Bündnisse auch mit Union und FDP empfohlen und damit eine neue Debatte über so genannte Ampel-Koalitionen in Gang gesetzt. Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer reagierte reserviert und bezeichnete die Äußerung der früheren Führungsfigur der Grünen als "wissenschaftlichen Ratschlag eines angehenden akademischen Lehrers". Zu einem Zeitungsbericht, wonach es hinter den Kulissen vertrauliche Gespräche von Abgeordneten der Grünen, der FDP und der CDU gebe, sagte Bütikofer am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters: "Das sind einigermaßen sterile Aufgeregtheiten von Nachwuchspolitikern."

Die Grünen-Fraktionsspitze erklärte: "Die Frage nach neuen Koalitionen stellt sich nicht." FDP-Generalsekretär Dirk Niebel erklärte, seine Partei gehe weiter von stabilen Zweierkonstellationen in Regierungsbündnissen aus. Fischer hatte dem am Montag erscheinenden Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gesagt, in einem Fünfparteiensystem blieben neben der großen Koalition "nur zwei Konstellationen: die schwarze oder die rote Ampel". Damit sind Regierungsallianzen der SPD oder der CDU jeweils mit FDP und Grünen gemeint. Andere Mehrheitsoptionen würden von den Rändern her blockiert, sagte Fischer. Eine Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei schloss Fischer aus.

Verdeckter Mist

Bütikofer sagte der Zeitung "Tagesspiegel am Sonntag", Fischer habe für seine Äußerungen nicht unbedingt den besten Zeitpunkt gewählt. "Solche Diskussionen verdecken die Auseinandersetzung mit dem Mist, den die Regierung baut", meinte der Grünen-Chef. Fischer sei erklärtermaßen aus der Politik ausgeschieden. Dessen Wortmeldung sei daher kein Beitrag zur Strategiedebatte. Fischer hatte jüngst seinen Rückzug aus der aktiven Politik erklärt. Am Donnerstag unterschrieb er nach eigenen Worten beim Bundestagspräsidenten seinen Verzicht auf sein Abgeordnetenmandat. Der frühere Außenminister will von Herbst an für neun Monate in die USA ziehen, um eine Gastprofessur an der Elite-Universität Princeton wahrzunehmen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Fritz Kuhn und Renate Künast erteilten einer Debatte über neue Regierungsbündnisse eine Absage: "Union und SPD regieren schlecht, aber sie regieren." An den Grünen komme bei den Themen ökologische Modernisierung, Bildungschancen für alle Kinder, moderne Familienpolitik und Integration niemand vorbei. FDP-Generalsekretär Niebel erklärte, die Freien Demokraten gingen generell "auch in Zukunft von der Möglichkeit stabiler Zweierkonstellationen auf Bundes- und Landesebene aus". Eine so genannte Jamaika-Koalition (schwarz-gelb-grün) nach der Bundestagswahl vom Vorjahr wäre "sicher besser gewesen als das schwarz-rote Gemurkse".

Die Zeitung "Bild am Sonntag" berichtete, seit Tagen gebe es hinter den Kulissen vertrauliche Gespräche von Bundestagsabgeordneten der Grünen, der Union und der FDP. In ständigem Kontakt stünden der hessische Grünen-Vorsitzende Matthias Berninger, der Junge-Union-Vorsitzende Philipp Mißfelder und der FDP-Politiker Daniel Bahr. (APA/Reuters)