Wien
<b>Kommentar:</b> Vindobona als Chance
Auf eine Erpressung folgt die nächste - der Kulturstadtrat sollte sie nützen, um zu verwirklichen, was beim Kosmostheater gescheitert ist
Mehr als dreieinhalb Jahre ist es her, dass Andreas Mailath-
Pokorny, der Wiener Kulturstadtrat, eine umfassende
Theaterreform in Angriff nahm. Er wollte mit dem
Beistand von Kuratoren und der Opposition die altgedienten
Theatermacher drängen, ihre Häuser zugunsten einer Erneuerung
aufzugeben: Die Mietverträge, aufgrund derer die Gründer
quasi auf Lebenszeit Direktoren sein können, sollten der Stadt
überlassen werden. Denn die öffentliche Hand finanziert nicht
nur den Betrieb mit, sondern trägt auch den Großteil der Investitionen.
Andere Taktik
Doch mit dieser – hart formuliert – fast erpresserischen
Methode kam Mailath nicht weit: Sowohl beim Odeon als auch
beim Kosmostheater musste er klein beigeben.
Sonderbarerweise wandte er diese Taktik nicht beim Vindobona
an: Er gewährte dem Betreiber der Kabarettbühne stolze
1,35 Millionen Euro für den Umbau.
Dass die Summe nicht reichen
würde, weil die ursprünglichen Kostenschätzungen weit
höher lagen, mutmaßten viele. Sie sollten Recht behalten. Der
Betreiber versucht nun, den Stadtrat – hart formuliert – zu erpressen:
Es wäre unverantwortlich, derart viel Geld zu versenken;
die Stadt müsse daher noch 400.000 Euro zuschießen.
Mailath stellt sich derzeit zwar taub, wird aber einen Konkurs
nicht auf seine Kappe nehmen wollen. Er sollte daher, getreu
seiner Taktik, weitere Mittel nur gegen Überlassung des
Mietvertrages gewähren. Dann wäre das Vindobona nicht bloß
gerettet: Mailath könnte künftig bei der Bestellung der Theaterleitung
mitbestimmen – und den Veranstaltungsort, der ja neben
dem vergrößerten Saal noch einen kleine Bühne und einen
Probenraum erhält, auch als längst versprochenes Koproduktionshaus
positionieren. Denn das Kosmostheater zu einem solchen
umzufunktionieren: Das ist Mailath nicht geglückt. (Thomas Trenkler, DER STANDARD Printausgabe, 08./09.07.2006)