Wolfgang Gratzl in der Vindobona-Baustelle

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Wien – Wolfgang Gratzl hatte hoch fliegende Pläne: Der langjährige Pächter des Vindobona wollte die Kellerbühne am Wallensteinplatz im Wiener Gemeindebezirk Brigittenau nicht nur baulich sanieren, sondern zu einer Art Megaplexx des Kabaretts ausbauen: samt zweiter Bühne, Proberaum, neuer Küche und repräsentativer Eingangssituation. Der große Saal, um einen Rang erweitert, wird zwar seit März wieder bespielt. Der Rest hingegen ist Stückwerk. Und ein Ende der Arbeiten ist nicht absehbar. Denn Gratzl ist das Geld ausgegangen.

Konten gesperrt

Er führt Klage: „Wegen unvorhersehbaren Komplikationen entstanden Mehrkosten, die von der Baudirektion der Stadt Wien bestätigt wurden. Es fehlen uns 455.000 Euro zur Fertigstellung. Das Kulturamt wurde bereits Anfang Februar detailliert informiert, aber man lässt mich im Regen stehen.“ Er habe gegenwärtig offene Rechnungen von 400.000 Euro am Tisch liegen, die Bank hätte bereits seine Konten gesperrt. Und jeder weitere Woche Bauverzögerung würde 10.000 Euro zusätzlich kosten.

Andreas Mailath-Pokorny, der Wiener Kulturstadtrat (SP), sieht seinen Part aber als erfüllt an: In den Jahren 2004 und 2005 wurde ein Baukostenzuschuss von 1,35 Millionen Euro gewährt (zwei Drittel der projektierten Gesamtausgaben) – eine beispielslose Summe für eine Kabarettbühne mit Gastronomiebetrieb.

Kulturamt: "Absagen nicht nachvollziehbar"

Zudem will er sich von Gratzl nicht in „Geiselhaft“ nehmen lassen: Der Betreiber rief eine Petition zur Rettung der Kellerbühne ins Leben, die auf www.vindobona.at von 12.000 Personen unterzeichnet wurde, und macht mit der Absage von Veranstaltungen Druck. Im Kulturamt reagiert man gelassen: „Die Absagen sind nicht nachvollziehbar. Es gibt einen bespielbaren Saal.“

Kein Geld für Beamer

Gratzl hingegen meint, dass der Betrieb nur Gewinn bringend mit dem Verkauf warmer Speisen zu führen sei; die neue Großküche ist aber nicht fertig. Und die Übertragung der Fußball-WM-Spiele hätte abgesagt werden müssen, weil es kein Geld für die Anschaffung eines Beamers gebe.

Gratzl beteuert, mit der zweiten Bühne (150 Sitzplätze) den Nachwuchs fördern zu wollen, was allen Kabarettbühnen zu Gute käme. In der Szene aber wird ihm wenig Glauben geschenkt: Die anderen Wiener Kabarettbühnenbetreiber befürchten eine existenzbedrohende Konkurrenz. Andreas Fuderer vom Niedermair, das nur Getränke zum Kauf anbietet, meint: „Gratzl will sich eine Machtposition erarbeiten.“ Er, Fuderer, habe nichts dagegen, wenn die Stadt helfe, aber: „Die Finanzierung einer zweiten Bühne finde ich übertrieben. Zumal das Vindobona ein Privatunternehmen ist.“

In einem Mail an Gratzl versichert Mailath-Pokorny, „dass die Stadt zur Zeit an Lösungsvorschlägen arbeitet“. Allfällige Möglichkeiten werde er bis spätestens 14. Juli bekannt geben. (Thomas Trenkler, DER STANDARD Printausgabe, 08.07.2006)