Die Stille mutete fast irreal an. Roms Straßen waren in der schwülen Sommernacht fast menschenleer. Kein Verkehrslärm war zu hören, kein Knattern der Motorräder. Leer die meisten Restaurants, geschlossen Kinos und Theater. Dann, kurz vor 23.30 wich die Stille urplötzlich einem einzigen Schrei . In Sekunden heulten Sirenen, explodierten Böller, füllten sich die Balkone mit Menschen und Fahnen.
Himmelhoch
So überschäumend feierten die meisten der 24 Millionen Fernsehzuschauer den ersten Treffer, dass sie den zweiten versäumten. Der Circus Maximus, wo Zehntausende das WM-Duell auf Großleinwand verfolgten, versank in einem Meer wehender Fahnen. Im Handumdrehen mischten sich auf den Straßen hupende Autos und knatternde Motorräder, "Italia, Italia"-Chöre und knallende Sektkorken, die Klänge der Hymne und Jubelrufe auf Totti.
Es war nicht nur eine stimmungsvolle, sondern auch friedliche Nacht. Von der Polizei wurden kaum Ausschreitungen vermeldet. Am Trevi-Brunnen versuchte der übliche Polizist erst gar nicht, die Tifosi an einem Bad zu hindern. Im Brunnen auf der Piazza del Popolo wälzten sich überglückliche Fans. "Italien unwiderstehlich", jubelte der Corriere della Sera. Die ersten 17 Seiten widmete das Mailänder Tagblatt am Mittwoch dem Fußball - elf dem WM-Sieg und sechs jenem Albtraum von Millionen Tifosi, den die Jubelnacht vorübergehend vergessen ließ: dem Prozess gegen die einflussreiche Mafia, die Italiens traditionsreichen Fußball in einen Sumpf aus Korruption, Erpressung und Betrug verwandelt hatte.
Zu Tode betrübt
Seit Wochen gibt es im Fernsehen kaum ein anderes Thema. Fassungslos hatten mehr als zehn Millionen Juventus-Tifosi wenige Stunden vor dem Anpfiff von Dortmund den Forderungen des Anklägers Stefano Palazzi zugehört: Abstieg des Turiner Nobelklubs in die dritte Liga. Abstieg von Lazio Rom, Fiorentina und AC Milan in die Serie B, Aberkennung des Meistertitels von 2005, keine Titelvergabe im laufenden Jahr, allen beteiligten Vereinen drohen Punkteabzüge. Ausschluss aus dem Fußballverband für Präsident Franco Carraro und die Präsidenten von Juventus, Milan, Lazio und Fiorentina. Der Corriere della Sera: "Eine Beerdigung".
Jauchzend