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Herbie Hancock

Foto: REUTERS/David Mdzinarishvili

Wien - Manche Musiker altern eben langsamer - optisch wie gedanklich. Während es sich die meisten Musikerjahrgangskollegen Herbie Hancocks bereits in ihrer Nische gemütlich eingerichtet haben, surft der 66-jährige, äußerlich rund 20 Jahre jünger wirkende Tastenmeister weiterhin mit juveniler Nonchalance durch die Genres.

Nach der Auseinandersetzung mit aktueller Club- und Dancefloor-Kultur im "Future 2 Future"-Projekt und dem erneuten Flirt mit der Popmusik in Gestalt des jüngsten, Stars zwischen Santana, Sting und Christina Aguilera versammelnden Albums Possibilities stellte Hancock in der Staatsoper ein neues Quintett vor, das in seiner unorthodoxen, bewusst inhomogenen Besetzung als Beleg für die Neugierde des Pianisten gelesen werden kann.

Da war die klassisch geschulte Lili Haydn mit glühend-expressiven Violin-Belcanti und der (völlig manierierten) Pop-Hauchstimme, da war Gitarristen-Talent Lionel Loueke aus Benin, der - im einzigen Solo-Feature - sein Instrument wie eine Kora, dann mit Slap-Daumen-Technik bearbeitete, schließlich ebenfalls seine Vocoder-unterstützte Stimme erhob und erahnen ließ, dass in ihm ein Musiker von gänzlich eigenem Profil heranreift.

Und da war die Groove-Abteilung in Gestalt von Bassist Matt Garrison und Drummer Richie Barshay, die etwa in "Actual Proof"von 1974 in ihrem Element waren.

Zwischen all diesen musikalischen Polen saß der an diesem Abend äußerst solofreudige, um nicht zu sagen: egozentrische Herbie Hancock und - verzichtete leider weitestgehend darauf, die disparaten Energien seiner Mitstreiter auch in einen Band-Kontext zu integrieren.

Hancock bediente sich der Stilfarben der jungen Musiker wie der Register einer Kirchenorgel, ohne ihnen eine lange Leine zu lassen - womit insbesondere im Falle Lionel Louekes gewichtige Ressourcen ungenützt blieben. Eine Jugendsünde. Sollte Hancock Buße und Umkehr tun, die aktuelle Band könnte seine spannendste seit vielen Jahren werden. Während man über die abschließende halbstündige Smooth-Ambient-Nummer und die zugegebene Endlosversion von "Chameleon"den Mantel des Schweigens legen kann. (Andreas Felber/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.7.2006)