München/Rom - Italien will den toten "Bruno" haben. Die sterblichen Überreste des aus Trentino stammenden Braunbären sollen nach dem Willen der italienischen Behörden nicht in ein deutsches Museum kommen. Tiefgekühlt oder ausgestopft, das ist noch unklar - auf jeden Fall soll das in Bayern abgeschossene Tier in seine Heimat zurückkehren. Diese Woche lief im bayerischen Umweltministerium das Schreiben aus dem Fax, in dem Rom offiziell die Rückgabe des Braunbären mit dem offiziellen Namen "JJ1" verlangt. Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) will sich nun beraten und dann entscheiden. - "Bruno" wird zum Fall für die Diplomatie.

"Der Braunbär war Teil eines auf italienischem Staatsgebiet durchgeführten Projekts zur Wiedereingliederung der Braunbären in der Adamello-Brenta-Gruppe und ist somit Eigentum des italienischen Staates", heißt es in dem vom Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio persönlich unterzeichneten Schreiben. Die Anfrage fuße nicht auf einem bestimmten Paragrafen, sondern habe "eher emotionale Hintergründe", meint der Sprecher des bayerischen Ministeriums, Roland Eichhorn. In italienischen Medien hatte es geheißen, der erschossene "Bruno" dürfe nicht zu einer Touristen-Attraktion werden.

Was Italien allerdings mit den Resten des Kadavers anfangen will, ließ Rom offen - für die genauen Modalitäten der Rückgabe solle sich Bayern an das italienische Forstministerium wenden. Übrig sein dürften wahrscheinlich ohnehin nur noch Haut und Knochen sowie die in Chemikalien eingelegten Organe - das Fleisch sollte in der Tierkörperbeseitigung landen.

Streit um Fell des Bären

Der sprichwörtliche Streit um das Fell des Bären tobt schon, seit das Tier tot ist. Während der Freistaat den ersten Braunbären in Bayern seit 170 Jahren im Münchner Museum "Mensch und Natur" zeigen will, kündigte Ex-Skistar Markus Wasmeier an, er werde sich darum bemühen, dass der Bär in sein 25 Hektar großes Bauernhofmuseum in Schliersee kommt. Auf der Rotwand südlich des Ferienortes war "JJ1" erlegt worden. Doch auch die Schlierseer Nachbargemeinde Bayrischzell beansprucht "Bruno" für sich - denn schließlich war es ihr Gebiet, auf dem "Bruno" vor gut einer Woche im Morgengrauen abgeschossen wurde.

Seitdem kocht der Volkszorn. Tierschützer in Berlin demonstrierten unter dem Motto "Wir alle sind Bruno" für die Abschaffung der Jagd. Auf Transparenten hieß es "Alle Jäger sind Bruno-Töter". Im bayerischen Umweltministerium, das den Bären zum Abschuss freigegeben hatte, gehen Morddrohungen ein. Mitarbeiter vertrauten dem "Münchner Merkur" anonym an, sie erhielten Anrufe und E-Mails mit dem Tenor "Ich schlitz' dich auf" oder andere massive Drohungen. "Das verfolgt mich bis in den Schlaf", sagte eine Mitarbeiterin der Zeitung. "Ich frage mich, wohin die Menschheit geht."

Auch der Landesjagdverband Bayern klagt über eine Flut von E-Mails - obwohl sich der Verband von Anfang an von dem Abschuss distanziert hatte. Die Staatsanwaltschaft München II prüft inzwischen neben Anzeigen gegen Schnappauf und die Jäger wegen möglicher Verstöße gegen Tierschutz- und Bundesnaturschutzgesetz auch eine Reihe von Bedrohungen mit Mord und anderen Verbrechen.

Der erst zweijährige Bär, auf den menschlichen Namen "Bruno" getauft, sei für die Menschen "eine Art Haustier" und "Symbol des jungen Teddybären" geworden, erläutert der Medienpsychologe Stephan Lermer die aufgeheizte Stimmung. Bei denjenigen, die Drohungen in die Welt setzten, handle es sich teils um extreme Persönlichkeiten unter denjenigen, die sich als Anwälte der Tiere betrachteten, oder unter Menschen, die Tiere ohnehin für die "besseren Menschen" hielten. Zudem gebe es neurotische Trittbrettfahrer, die eine latente Aggressionsbereitschaft hätten und hier endlich ein Ventil sähen. Die Absagen vieler Touristen in den Gemeinden um den Abschussort seien irrational, aber psychologisch verständlich. "Es wird pauschalisiert", sagt Lermen und fasst zusammen: "'Bruno' ist zum Märtyrer mutiert." (APA)