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Alles ist vorbei.

Foto: APA/AP/Endlicher
Dortmund - "Der Papst ist deutsch, der Gott aber ist italienisch", so meinte es ein italienischer Journalist nach dem 2:0 der Italiener gegen Deutschland im Halbfinale der Fußball-WM. Nicht nur aus diesem Grund haben die Italiener die deutsche Festung Dortmund gestürmt, denn mit dem 0:2 endete nicht nur der deutsche Final-Traum sondern auch die eindrucksvolle Serie der deutschen Mannschaft, die zuvor in Dortmund in 14 Länderspielen unbesiegt geblieben war.

Damit verpasste die DFB-Elf die Chance den siebenten WM-Titel eines Gastgebers einzufahren. Sechs Mal in 18 Versuchen konnte der Gastgeber den Heimvorteil zum Titelgewinn nutzen. Der siebente Streich ist Deutschland versagt geblieben. 1974 hatte die DFB-Auswahl diesen Bonus genutzt - wie vorher Uruguay (1930), Italien (1934), England (1966) sowie anschließend Argentinien (1978) und Frankreich (1998).

Alle Unterstützung vergebens

Über drei Wochen lang ist die Begeisterung im Land übergeschwappt, hat die Euphorie unbekannte Dimensionen angenommen. Nach 120 Minuten eines einzigen Spiel ist alles anders. Seit Dienstag trägt Fußball-Deutschland Trauer. Millionen Anhänger, viele von ihnen mit Tränen der Enttäuschung im Gesicht, zogen in der Nacht auf Mittwoch enttäuscht von den unzähligen Fan-Meilen ab, nachdem alles Anfeuern und Mitzittern vergebens war.

Nach dem bitteren WM-K.O. musste die Polizei in einigen Städten meist kleinere Rangeleien schlichten, in deren Verlauf es auch zu einigen Festnahmen kam. "Wir mussten ein paar Streithähne beruhigen, die ihren Frust austoben wollten, aber es gab keine organisierten Randale", sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Viele Fans trösteten sich friedlich, richteten ihren Blick nach vorne in dem sie skandierten: "Stuttgart ist viel schöner als Berlin!"

"Die Champions unserer Herzen!"

Und auf einer der elf Video-Wände in Berlin leuchtete nach dem 0:2 der Satz auf: "Ihr seid die Champions unserer Herzen!" Die Ruhe, die Lethargie, der Schock verwandelte sich für kurze Zeit noch einmal in verzweifelten Beifall. Im Stuttgart steigt am Samstag das kleine Finale Deutschland gegen Portugal oder Frankreich und da wollen die WM-Gastgeber einen erfolgreichen Abschied begehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler trafen wenige Minuten nach der 0:2 in der deutschen Umkleidekabine auf erwachsene Männer, die Rotz und Wasser heulten und für kein Wort der Aufmunterung empfänglich waren. "Das ganze Land ist stolz", sagte Köhler am Dienstag kurz vor Mitternacht in seiner kurzen Ansprache, aber bei Michael Ballack & Co. kam diese Botschaft im Moment der grenzenlosen Enttäuschung gar nicht an.

"Eine Minute vor Schluss. Das ist bitter"

"Es ist bitter für uns, so auszuscheiden. Eine Minute vor Schluss. Das ist bitter", stammelte der um Fassung ringende Kapitän. "Kein einziges Wort ist in der Kabine gefallen", berichtete Top-Torschütze Miroslav Klose.

Doch auch nach der Niederlage soll das neu entdeckte Bewusstsein nicht von der Bildfläche verschwinden. Köhler rief in der Mittwoch-Ausgabe der "Bild"-Zeitung auf, sich den gezeigten Patriotismus in Zukunft zu bewahren. "Die Deutschen identifizieren sich mit ihrem Land und seinen Nationalfarben. Das finde ich großartig", meinte das Staatsoberhaupt.

Gute Verlierer

"Wir sind auf einem guten Weg, uns zu uns selbst zu bekennen, stolz zu sein auf das, was wir nach 1945 erreicht haben." Die Welt schaue auf Deutschland und entdecke viel Gutes dabei. Er habe schon vor Jahren erfahren, dass Deutschland im Ausland viel positiver gesehen werde, als die Deutschen selbst manchmal meinten.

Auch der Historiker Wolfram Pyta von der Universität Stuttgart glaubt, dass sich das Deutschland-Bild nach Außen positiv gewandelt hätte. "Die Deutschen haben gezeigt, dass sie keine germanischen Kampfverbände, keine Panzer sind", meinte Pyta. Spieler, Trainer und auch die meisten Fans seien gute Verlierer gewesen.

Nach der Halbfinal-Niederlage werde es "keine kollektive Depression und Untergangsstimmung geben". Die Euphorie bis zum Ende der WM am Sonntag werde zwar "nicht in dieser Größenordnung weiter laufen, aber schwarz-rot-goldene Fahnen an den Autos wird es weiter geben".(APA)