Simon Abkarian und Joan Allen in "Yes".
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Wien - Eine verheiratete Frau verliebt sich in einen Fremden. In einer angespannten Situation, in der sie einen Ausweg aus dem verfahrenen Status quo ihrer Beziehung sucht, ist sie auf ihn getroffen und er hat ihr ganz offensichtlich Avancen gemacht. Ein "Nein" wird kurz erwogen, aber dann sagt sie "ja" zu einem ersten Treffen. Diese Entscheidung wird vielfältige andere nach sich ziehen.

"Yes" heißt denn auch der Film von Sally Potter, der nun mit zwei Jahren Verspätung bei uns im Kino läuft. Die britische Filmemacherin (Orlando, The Man Who Cried) drehte schon 1979 beziehungsweise 1983 mit "Thriller" und "The Gold Diggers" zwei bedeutende Beiträge zum feministischen Kino. Ursprünglich Musikerin, Tänzerin und Performerin, brachte Potter entsprechende Elemente in ihre Arbeiten ein. Diese waren zudem an ihrer Auseinandersetzung mit Avantgardefilm und feministischer (Film-)Theorie orientiert und vollzogen eine Revision klassischer Spielfilmkonventionen.

Nur vordergründig eine Liebesgeschichte

Auch "Yes" erzählt nur vordergründig eine Liebesgeschichte. Das erste Indiz der Verfremdung ist bereits der Umstand, dass die Personen in Versen miteinander sprechen - was angestrengt klingt, tatsächlich aber eine gewisse Leichtigkeit garantiert. Ein weiteres hängt damit zusammen, dass in Potters (namenlosen) Figurenentwürfen beständig größere Zusammenhänge mitschwingen und mitverhandelt werden:

Sie (Joan Allen) ist Genetikerin und als solche in ethische Grundsatzdebatten verstrickt. Als gebürtige Irin meint sie außerdem, gewisse Erfahrungen und Traumata mit ihrem Geliebten zu teilen. Er (Simon Abkarian) nämlich sieht sich als Migrant aus dem Nahen Osten mit wirtschaftlichem Abstieg, kulturellen Unterschieden, rassistischen Angriffen und Stereotypen konfrontiert.

Auch alle weiteren Figuren sind in vergleichbare Konflikte eingespannt, ihr Sprechen wird sozusagen von anderswo informiert. Und Potter bricht dieses komplexe, vielfältig diskursivierbare Gefüge nochmals, indem sie der Upperclass, der ihre Protagonisten großteils angehören, eine Art von Chor aus Bediensteten gegenüberstellt.

Theatralität und Manierismen

Der Reiz des Films liegt in der Theatralität, die sich aus Sprache und Positionen der Sprechenden ergibt. Unterhöhlt wird er allerdings von visuellen Manierismen:

Während Potter einerseits strenge Tableaus komponiert - wie verfeindete Heerführer sitzen einander Frau und Ehemann beim Essen gegenüber -, arbeitet sie andererseits mit Wackelkamera, mit Überblendungen, Lichtreflexionen und anderen optischen Effekten, die beständig Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Am Ende erweist sich ausgerechnet Kuba als utopistischer Fluchtpunkt - die kleinen, tänzerischen Ausbrüche, die Potter ihren Personen vorher einräumt, wirken dagegen länger nach. (Isabella Reicher/DER STANDARD, Printausgabe 05.07.2006)