Franz Beckenbauer sieht jetzt, auf seine alten Tag', erstmals so aus, als würde er echt viel arbeiten. Das passt überhaupt nicht ins Deutschland dieser Tage, in dem gerade alle Werte umgewertet werden. Waren früher schwielige Hände der ganze deutsche Stolz, ist es heute das Gegenteil. Blaufeiern liegt im Trend, wer dem Herrgott den Tag zu stehlen bereit ist, der gilt als besonders typischer deutscher Michl. Und genau in dieses Umstülpen des Deutschen an den Deutschen platzt der erstmals erschöpfte Franz Beckenbauer mit seiner "Schaffe, schaffe, Häuselbaue"-Gestalt, mit der er aussieht wie früher alle anderen nach Dienstschluss. Damals war er so wie heute alle anderen. Ein Bonvivant selbst auf dem Platz, den er nach 90 Minuten so unverschwitzt verließ, wie er ihn betreten hatte. Er war der Stenz, der Schwitzen nicht notwendig hatte. Für ihn, den Libero, lief und malochte ja Vorstopper Schwarzenbeck. Beckenbauer war, irgendwie, die personifiezierte Vision des Deutschen von sich selbst nach dem Wiederaufbau. Dieser Zeitpunkt scheint nun gekommen. Aber wie's ausschaut, wird Beckenbauer ihn leider verschlafen. (DER STANDARD Printausgabe 03.07.2006)