Foto: Süddeutsche Diskothek
Weithin hat sich inzwischen die Einsicht durchgesetzt, dass Männer irgendwie primitiv und scheiße sind. Beispiele dafür finden sich in vielen Lebensbereichen, von der Körperhygiene übers Fahrverhalten bis hin zu Verbrechen, Massenmord und Krieg. Auf besonders erschütternde Weise schlägt sich die männliche Rückständigkeit jedoch im Beziehungsverhalten nieder.

Sicher, so mancher entwickelt Techniken, um sein wahres Ich zu tarnen, seine primitiven Absichten zu vernebeln. Er besucht Benimmkurse, stylt sich schick oder möbelt seine Fresse mit einem bunten Brillengestell auf. Ganz Verwegene befleißigen sich sogar der Kunst des "guten Gesprächs" und langweilen mit tränenseligen Berichten über den traumatischen Verlust des Schnuffeltieres, welcher die gesamte Kindheit überschattete. Alles Taktik, List und Strategie - denn bei der Partnerwahl sind die Männer in Wahrheit wahllos. Wen sie an ihre Seite ziehen, ist ihnen letztlich egal, solange sich die Frau nur gefügig zeigt und möglichst wenig sagt.

Niemand hat diese maskuline Beliebigkeit so unverblümt in Worte gefasst wie Prince in seinem Hit "Kiss". Die Aufzählung all der Qualitäten, welche die von ihm Angesungene nicht haben müsse, nimmt weite Teile des Textes ein: Sie brauche weder hübsch noch reich oder cool zu sein, was sie rede und welche Fernsehsendungen sie gucke, sei ihm egal - solange sie ihm nur ihren Körper zwecks einseitigen Lustgewinns zur Verfügung stelle, und zwar von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen! Es ist daher zu hoffen, dass "Kiss" möglichst oft in Discos und im Radio zu hören ist: Kein anderes Lied gibt Frauen derart ehrlich Auskunft über jene, die sich gerade wieder mit geheucheltem Interesse ranschleimen. (DER STANDARD, Printausgabe, 1./2.7.2006)