Die "Mutter aller Reformen"wird die Staatsreform in Berlin genannt. Ein Blick auf deren Zustandekommen erklärt, warum die deutsche Regierung zu diesem Begriff greift: Seit zwanzig Jahren diskutieren Union und SPD, wie man den Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Ländern entflechten könnte. Im Oktober 2003 wurde eine Kommission mit konkretem Auftrag eingesetzt. 14 Monate später war deren Arbeit auch schon wieder zu Ende, weil sich Bund und Länder nicht auf eine neue Verteilung der Kompetenzen in Bildungsfragen einigen konnten.
Berechtigt ist der Superlativ aber auch, weil es sich bei dem nun verabschiedeten Gesetzespaket um die größte Staatsreform seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 handelt: Im Grundgesetz müssen 24 Artikel geändert werden. Dafür ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig und nach den wochenlangen, oft zermürbenden Schluss-Verhandlungen zwischen Union und Sozialdemokraten wurde dies zu einer weiteren Nagelprobe.
Zwar verfügt die große Koalition über eine gefestigte Mehrheit, doch vor allem in der SPD gab es viel Widerstand gegen die Reform. Dass der Bund die Zuständigkeit für Schulen, Strafvollzug und Pflegeheime aufgibt, ist vielen ein Dorn im Auge - befürchten sie doch aufgrund der leeren Kassen ein Nachlassen der Qualitätsstandards. SPD-Fraktionschef Peter Struck musste die Zweifler in vielen Einzelsitzungen überzeugen, um, gemeinsam mit der Union, schließlich auf 428 Ja-Stimmen zu kommen. Nötig gewesen wären 410 Stimmen.