Las Palmas/Genf/Wien - Mehr als 11.000 afrikanische Flüchtlinge sind seit Anfang dieses Jahres auf den Kanarischen Inseln gelandet. Im vergangenen Jahr waren es nicht einmal halb so viele. Die Anstrengungen vieler Politiker, Europa zu einer "Festung"auszubauen, scheinen Erfolge zu zeigen, und Woche für Woche sterben Flüchtlinge auf dem Seeweg von Afrika nach Europa. Das UN-Flüchtlings-Hochkommissariat UNHCR spricht von "Tausenden, die in den vergangenen Jahren bei dem Versuch ertranken, vor Verfolgung oder Armut übers Meer zu fliehen". Sie sollen nun besser geschützt wer- den.

Nicht selten passiert es, dass Kapitäne auf dem Meer treibende Flüchtlinge auflesen und vor dem Tod bewahren. Doch bisher weigerten sich viele europäische Staaten, diese Schiffe anlegen zu lassen - sie wollten nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Das soll sich ab heute, Samstag, ändern. In einem Übereinkommen haben sich betroffene Staaten dazu verpflichtet, Kapitäne ohne Verzögerung anlegen zu lassen.

Die Länder werden danach auch die humanitären Verpflichtungen des Kapitäns übernehmen. Dazu gehört unter anderem, die Geretteten medizinisch zu versorgen. Was dann weiter mit den Flüchtlingen passiert - ob sie aufgenommen oder abgeschoben werden -, darüber entscheidet das "Aufnahmeland". Die neuen Regelungen haben die Staaten Italien, Spanien, Malta, Griechenland, Zypern, Mauretanien und Marokko im Rahmen der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO ausgehandelt.

Dass die europäischen Staaten damit von ihrem Plan abrücken, eine "Festung"gegen Flüchtlinge zu errichten, das glaubt UNHCR-Sprecher Roland Schönbauer nicht: "Ich würde das Abkommen in keinen großen politischen Kontext stellen. Es ändert nichts daran, dass in vielen Ländern versucht wird, Migration abzuschotten."In einem am Freitag veröffentlichten Grundsatzpapier fordert der UNHCR, dass Flüchtlingen der Zugang zu internationalem Schutz nicht versperrt werden soll. Die besonderen Rechte und Bedürfnisse der Flüchtlinge seien zu berücksichtigen.

Die Kanaren, die geografisch zu Afrika und politisch zu Spanien gehören, bilden im gesamteuropäischen Trend eine Ausnahme: Nur in wenigen anderen Teilen Europas verzeichnen die offiziellen Statistiken einen Zuwachs an Migranten und Flüchtlingen. (Julian Ausserhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2006)