"Süddeutsche Zeitung" (München):
"Der Präsident, so ist es nun höchstrichterlich bestätigt, hat gegen amerikanisches und internationales Recht verstoßen. Seine Sondertribunale waren weder Straf- noch Militärgerichte, die Anklage war undurchsichtig und die Verteidigung eingeschränkt. Damit wurde geltendes Recht für ausländische Terrorverdächtige einfach ausgeschaltet. Deutlicher kann man die Gewaltentrennung nicht missachten. Bush muss einsehen, dass er überreizt hat. Im Schock nach dem 11. September (2001) hatte ihm der Kongress breite Vollmachten zur Terrorabwehr eingeräumt, doch hat sich mittlerweile gezeigt, wie maßlos das Weiße Haus davon Gebrauch machte (...) Jetzt stutzt ausgerechnet jenes Gericht den Präsidenten zurecht, das nach den jüngsten Neubesetzungen als mehrheitlich konservativ galt. Bush hat mit dem 'System Guantanamo' nun die zweite Niederlage vor dem Supreme Court erlitten. Schon beim ersten Mal stellten die höchsten Richter etwas Selbstverständliches fest - dass Guantanamo US-Recht unterliege. Bush mag sich wundern, sein Land aber kann erleichtert sein: Im Rechtsstaat Amerika gibt es noch eine Judikative, die nicht vor der Terrorhysterie der Regierung kapituliert. Amerika ist sicherer geworden, weil der Supreme Court es unterbunden hat, dass die Regierung den Gesetzgeber spielt."
"Frankfurter Rundschau":
"Die Richter haben ausdrücklich daran erinnert, dass die USA Vertragsstaat der Genfer Konvention sind. Präsident Bush hatte die daraus resultierenden Verpflichtungen im Handstreich weggewischt. Auch das internationale Recht dürfte nun in Washington eine Auferstehung erleben. Was genau dieses komplizierte Urteil praktisch für den Umgang mit US-Gefangenen von Guantanamo bis Bagram (Afghanistan) bedeutet, wird sich perspektivisch erweisen müssen. Einen Mechanismus, sie vor ein ordentliches Gericht zu stellen, gibt es immer noch nicht. Aber die Hoffnung steigt, dass die schändliche Gefangenen-Politik der USA in rechtsstaatliche Bahnen gelenkt wird."
"die tageszeitung" (taz) (Berlin):
"Der Oberste Gerichtshof der USA hat dem Umgang der US-Regierung mit den Gefangenen in Guantánamo eine Absage erteilt. Was Präsident Bush sich da vorgestellt hatte, haben die Richter für verfassungswidrig erklärt. Ein Glück. Und die Regierung muss sich jetzt etwas Neues überlegen. Schon beim Wiener EU-USA-Gipfel vor einer Woche hatte Bush gesagt, er wolle das Urteil des Gerichtshofes abwarten. Dass er so eine Abfuhr erteilt bekommen würde, damit hatte er sicher nicht gerechnet..."
"Basler Zeitung":
"Das Guantánamo-Urteil bedeutet nicht nur eine schwere Niederlage für George W. Bush, sondern wohl auch eine Wende im Streit über den juristischen Umgang mit den von den USA gefangenen 'feindlichen Kämpfern' (...) Auch das internationale Recht erlebt nun in Washington eine Auferstehung."
"La Repubblica" (Rom):
"Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Rechte der Guantánamo-Gefangenen ist ein großer Sieg für die amerikanische Demokratie und eine schwere Niederlage für die Bush-Regierung. Nach dem 11. September 2001 haben Bush und seine Berater eine Strategie gewählt, die auf zwei Grundsätzen beruhte: Erstens, der Krieg gegen den Terrorismus ist von nun an ein globaler Krieg, ein Krieg fast wie ein Krieg zwischen Staaten, der zudem außergewöhnliche Maßnahmen rechtfertigt. Und zweitens haben sie die Notwendigkeit zur Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten betont. (...) Zum Glück hat der Oberste Gerichtshof nun das Prinzip der Vorherrschaft des Rechts wiederhergestellt und die Notwendigkeit betont, dass auch in Ausnahmesituationen nicht nur die unabdingbaren Verfassungsprinzipien respektiert werden müssen, sondern auch die allseits anerkannten internationalen Normen."
"The New York Times":