Cochabamba/Wien - In Bolivien könnte es nach dem Autonomiereferendum am kommenden Sonntag zum nächsten Konflikt kommen. Denn die erdgasreichen Regionen im Osten wollen die vor zwei Monaten verlorene Kontrolle über ihre natürlichen Ressourcen wiedererlangen. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass es nach Sonntag zu einem schweren Konflikt zwischen Regierung und den sozialen Bewegungen kommt", sagte Christian Ferreyra Villalpando, Soziologe und Energieexperte des bolivianischen Dokumentations- und Informationszentrums (CEDIB), im Gespräch mit der APA.

Das verarmte, andine Hochland sei mehrheitlich gegen Unabhängigkeitsbestrebungen. Die dort ansässigen sozialen Bewegungen würden einen Aufstand vom Zaun brechen, sollte rückgängig gemacht werden, was in den letzten Monaten für den armen Großteil der Bolivianer erreichen werden konnte. Die Departements, die aller Voraussicht nach mehrheitlich für die Autonomie stimmen würden, seien Santa Cruz und Tarija, die "zugleich jene Regionen sind, die am meisten natürliche Rohstoffe und fruchtbare Böden auf sich konzentrieren", so Ferreyra.

Zwei weitere Departements auf Linie

Diese beiden Departements hätten es außerdem geschafft, noch zwei weitere, Beni und Pando, auf ihre Linie zu bringen, erklärte der Experte. Aktuelle Umfragen würden zeigen, dass die Stimmen für das "Ja" zur Autonomie etwas im Abnehmen begriffen wären.

Eines der zentralen Anliegen der Oligarchien im Osten sei es, die Autonomie dafür zu benutzen, die Kontrolle über das Erdgas (wieder) zu erlangen. "Es werden die neuen Regionalregierungen sein, die mit den internationalen Erdölgesellschaften verbunden sind, die die Kontrolle über die Rohstoffe haben werden", betonte der Experte. Sollte dies von der Verfassungsgebenden Versammlung verhindert werden wollen, würden "diese Gruppen" mittels diverser Destabilisierungsmaßnahmen dafür zu sorgen versuchen, ihre Vorstellung von Autonomie durchzusetzen.

Verstaatlichung "wert- und sinnlos"

In diesem Fall wäre die Verstaatlichung "wert- und sinnlos" gewesen. Verständlicherweise, so Ferreyra, sei auch das Ziel der transnationalen Unternehmen die Autonomie, denn "Autonomien werden von den Erdölgesellschaften, den Grundbesitzern und den Unternehmen als bestes Instrument zur Wiedererlangung der Kontrolle über die Rohstoffe sowie über Grund und Boden angesehen".

Die bisherigen Maßnahmen der Regierung Morales Grund und Boden betreffend seien "in keinem Sinn" eine Landreform gewesen, sondern lediglich die Vollziehung eines Teils eines Gesetzes, das die Umverteilung von Land in Staatsbesitz an Landlose vorsieht. Trotzdem habe die Maßnahme für "großen Widerstand" der Latifundisten, der Großgrundbesitzer, gesorgt, die "illegal Land, das im Staatsbesitz ist, für sich reklamieren". Ferreya hob hervor, dass die bisherigen Schritte erst eine Vorbereitung auf eine "wirkliche Agrarreform" seien. (APA)