Die BMW, der Berg, der Brezenbär - Guido Gluschitsch am Selbstfindungs-Trip.

foto: bmw

Eigentlich ist es schon ein Wahnsinn, was man mir zumutet – oder -traut. Da kam der Herr Fidler so mirnixdirnix zu mir und sagte: "Erzberg. Zweitägiges Enduro-Training mit der HP2. Da müssen wir einfach dabei sein." "Ja, klingt sehr gut. Das sollten wir wirklich nicht auslassen. Wann fährst du?" Herr Fidler grinst mich an: "Gar nicht. Ich hab Termine. Du fährst."

Die Einladung von BMW war dann noch vielversprechender. "Vorraussetzung: Sehr gute Enduro-Kenntnisse" stand da. Aha. Na eh klar. Ich bin mein Lebtag noch nie auf Schotter gefahren. Die Test-HP2 hat sich damals der Herr Fidler unter den Nagel gerissen. Ich bin überhaupt noch nie auf einer Enduro gesessen, fiel mir ein. Ich luchste dem Herrn Fidler noch schnell das Versprechen ab, mich im Krankenhaus zu besuchen, damit niemand glaubt, ich hab gar keine Freunde, und schickte mein Zusage zum Training an BMW.

Am Erzberg machte der Trainer ganz schön große Augen, als ich ihm von meinen unerschöpflichen MotoCross-Erfahrungen erzählte. Nach zwei Schrecksekunden gab er sich aber professionell ruhig: "Na, wir werden eh in zwei Gruppen fahren. Die mit weniger Erfahrung – oder so wie du ohne – in der einen, die besseren Fahrer bilden dann eine eigene Gruppe."

Ich war der einzige ohne Erfahrung – anscheinend waren die anderen Kursteilnehmer des Lesens mächtig. Und um ein Bild von den Teilnehmern zu zeichnen: In der Gruppe der "Ich kann schon fahren"-Teilnehmer fanden sich Enduro-Genies wie Andreas Werth, seines Zeichens Reitwagen-Herausgeber sowie Erfinder und Initiatior des Erzberg-Rodeos. Werth: "Ah, tun wir da nicht bescheiden herum – sagen wir einfach: ich bin der Vater."

Wir begannen damit, die HP2 einmal am Stand kennen zu lernen. Das kam mir entgegen, weil dadurch die Gefahr zu stürzen ziemlich dezimiert war. HP steht für High Performance. Ob das gerechtfertigt ist, sollte noch herausgefunden werden. Immerhin schaut die knapp 200 kg schwere BMW ja nicht aus, als könnte man sie notfalls über den Riegel tragen, wenn man sich nicht fahren traut. 105 PS stemmt sie dabei aus dem Boxermotor in den Schotter. Das heißt Abstand halten, zum Vordermann, will man nicht, dass es in den Pausen beim Trinken knirscht.

Weil die HP2 aber wirklich für das gemacht zu sein scheint, weswegen wir hier sind – sie in den Erzberg zu stampfen? – hat man simple, aber wohlüberlegte Detaillösungen verbaut. So ist etwa der Bürzel, der Nummerntafel und Blinker trägt, schnell abmontiert, sollte man ihn auf einer Piste nicht brauchen.

Für die Stoßdämpfer hat man sich bei BMW etwas Eigenes einfallen lassen: eine Luftfederung. Diese ist einfach auf den Fahrer einzustellen. Rechts über dem Motor befindet sich eine Libelle, die anzuzeigen hat, dass das Motorrad in der Waage ist, wenn der Pilot drauf sitzt.

Notfalls wird Luft in den Zylinder nachgepumpt – eine Pumpe ist am Rahmen der HP2 befestigt – oder abgelassen. Danach stellte ich den Dämpfer mittels Drehknopf noch auf "Herumnudler", oder "Sport", wie BMW die weichere Einstellung nennt. Die meisten anderen fuhren in der harten Abstimmung namens Competition. Eh klar.

Am Vormittag machte ich mich ja noch ganz gut. Es war zwar mehr als ungewohnt, auf Schotter zu fahren, aber dank der Instruktionen des Trainers schaffte ich es, die HP2 durch einen Parcours aus endlos vielen, engen Kurven zu dirigieren. Zielbremsungen waren das Problem auch nicht. Ein wenig Übung und man verzögert auf Schotter mit der Vorderradbremse, als wäre es das Normalste auf der Welt. Die HP2 fühlte sich dabei unglaublich leicht an. Wir fuhren alles im Stehen. Ich gewöhnte mich sogar recht rasch an das durchdrehende Hinterrad und sprühte regelrecht Schotter. Wer auch immer hinter mir fuhr, verfluchte mich.

>>> Gluschitsch, unverwundbar

Nach dem Mittagessen nahm ich deshalb gleich beim Losfahren den letzten Platz in der Gruppe ein. Wir fuhren den Erzberg hinauf. Und das in einem Tempo, dass ich mir dachte, jetzt wird es aber mehr als ernst. Die Burschen vor mir gaben Gas, als müssten sie noch die Pommes für das gerade verdrückte Schnitzel holen. Ich versuchte dran zu bleiben, riss aber in jeder Kurve ab, obwohl ich eh schon mehr quer als sonst was daher kam. Auf den Geraden versuchte ich, durch viel Gas und spätes Bremsen aufzuholen. So kämpfte ich mich im "Ich bin unverwundbar"-Modus den Berg hinauf.

Irgendwann ist die Gruppe vor mir nach unten weggetaucht. Ich sehe zwar die Kurve, die vor mir liegt, aber die hat niemand genommen. Da muss es also noch einen Weg nach unten geben. Ich bremse, sehe den Abhang hinunter und sehe den Letzten ums Eck biegen. Ich stehe mit meiner HP2 vor einem Abstieg, den ich zu Fuß nicht schaffen würde. V-förmig geht da eine Rinne den Berg hinunter. Mitten in dieser Rinne, etwa auf halber Höhe, ein Fels. Genau dort, wo ich ihn nicht brauchen kann.

Soll ich jetzt Angst haben? Ach was. Wenn die anderen Weicheier da runter gekommen sind, dann schaff ich das allemal. Ich gebe leicht Gas, lass die Kupplung kommen und denk mir: "Na, des wird a Gaudi." Beim Felsen bekomme ich einen Schlag auf das Vorderrad.

Die HP2 macht einen Hupfer und der Fronthuf ist auch schon draußen aus der Rinne. Hinten ist alles, wie es gehört. Vorne steh ich im Geröll. Dazwischen mischt sich der rechte Euter der BMW in das Thema Bodenhaftung ein. Der Rest des Abstiegs ist ein Gemetzel. Quer lasse ich die HP2 über den Zylinder dorthin rutschen, wo ich mich wieder wohl fühle – auf die Ebene.

Ah, die Buben haben auf mich gewartet und sich am Schauspiel ergötzt, merke ich. Als ich wieder aufschließe, geht es auch schon im Höllentempo weiter. Keine Zigarette? Sehr anstrengend. Es dauert auch nicht lang, bis ich wieder aufschließe. Kunststück, vor mir stehen alle.

Ich schau weiter nach vorne. Dort erhebt sich eine Auffahrt, die steiler ist, als jene, die ich gerade bergab nicht geschafft habe. Oben liegt einer und versucht sein anscheinend marginales Wissen über Hebelgesetze an HP2. Ja, das weiß ich jetzt auch, wenn sie liegt und man sie aufheben muss, ist es ziemlich vorbei mit der Leichtigkeit, die man beim Fahren noch verspürt.

Ja, aber wer liegt denn da? Gibt es denn das? Den kenn ich ja gar nicht. Und wer ist der vor mir? Was? Und der davor? Den hab ich ja noch nie gesehen. Oben hilft der Trainer in seiner schneidigen BMW-Montur beim Aufrichten der HP2. Es geht wieder weiter. Einer nach dem anderen brennt über den Steilhang rauf, als wäre heute Kindergeburtstag. Verdammt aber auch. Dann bin jetzt wohl ich dran. Na gut. Gas, Kupplung, es sprüht Schotter, ich merke, dass ich neugierig bin, wie denn das wohl ausgehen wird.

Oben auf der Kuppe bleibe ich stehen. Der Instruktor schaut mich an: "Na bitte. Hast du ja gut gemacht." Ich grinse. Ich stocke. Ich erschrecke. Ich schau mir den Instruktor an: "He, ich bin ja in der falschen Gruppe." "Richtig!" "Ich will nach Hause!"

>>> Kopfüber in die Bildungslandschaft

Als sich die beiden Gruppen wieder treffen, sagt einer von jenen, die ich kenne: "Wahnsinn, musst du schnell lernen, wenn du jetzt schon bei den anderen mitfahren darfst." Er zweifelte meine morgendliche Ansage, noch nie Enduro gefahren zu sein, an. "Ach was," beruhige ich ihn, "ich bin nur zu blöd, bei meiner Gruppe zu bleiben."

Bei den Gemütlicheren lernte ich dann auch, was ich intuitiv richtig gemacht hatte, nämlich einen Steilhang bergauf zu fahren. Auch das nötige Wissen um Abfahrten wurde uns vermittelt. Warum man aber stets langsam in einen Abhang einfährt, musste ich trotzdem schmerzlich lernen. Fährt man langsam eine – selbst bekannte – Abfahrt an, kann man die Spur noch korrigieren, sollte das große Loch, das man gerade noch vergessen hat, immer noch da sein. Dann köpfelt man auch nicht über den Lenker, wenn das Vorderrad in genau diesem Loch ein neues Zuhause gefunden hat.

Aber das waren nicht meine einzigen Hoppalas. Der BMW-Mechaniker, der bei jedem Fahrer-Training dabei ist, hat in den beiden Tagen locker vier Kilogramm abgenommen, weil jedes Mal, wenn er seine Zähne in ein Wurstsemmerl hauen wollte, hab ich sicher wieder einen Fehler gemacht und ihm was zu arbeiten gegeben. Und war es nicht ich, der vorne einen Patschen hatte, dann konnte ich mich auf die Kollegen verlassen, die mit dem Tachometer in der Tasche zum Stützpunkt fuhren oder über ein defektes Licht klagten, weil sie gerade die HP2 darauf abstellten.

Dabei konnte kein auch noch so blöder Sturz die BMW außer Gefecht setzen. "Nicht einmal ein Zylinderkopf, der völlig hinüber ist, legt die HP2 lahm" erklärte mir der Mechaniker und zeigte mir eine kleine Gummihaube, die man in diesem Fall einfach draufschraubt und die BMW rennt wieder.

Ich bin nach den beiden Tagen nicht nur sehr begeistert von dem Training und der HP2. Ich habe Wege und Nicht-Wege befahren, von denen ich mir bis dahin sicher war, dass es mir unmöglich sein würde, diese je mit einem Motorrad zu meistern. Über 100 km/h auf Schotter. Und das mit einem durchdrehenden Hinterrad.

Die HP2 hat mir den Schrecken genommen und das, obwohl sie über schier endlose Kraft verfügt. Ein Spaß-Gerät durch und durch. Nein, eine Hochleistungs-Enduro. Noch besser: Die HP2 ist einfach High Performance. Ich hatte zwei Tage lang ein Grinsen im Gesicht, wie ein Kind zu Weihnachten. Und ich war dreckig wie ein Kind, das zwei Tage lang am Erzberg spielen durfte. Kein Schlammloch war vor mir sicher. Und bitte! Ich fuhr den Prolog des Erzberg-Rodeos.

Enduro-Trainings mit der HP2 bietet BMW in Deutschland im Enduro-Park Hechlingen an, in Spanien in Aras Rural und neuerdings auch am Erzberg. Die nächsten Termine sind von 11. bis 13., 18. bis 20., und 25. bis 27. August, sowie von 1. bis 3. und 8. bis 10. September. Die Kosten für das Training auf einer von BMW gestellten HP2, inklusive zwei Übernachtungen mit Frühstück im Einzelzimmer, Teambetreuung und Versicherung belaufen sich auf 925 Euro. Was ich dringend empfehlen würde: sehr gute Enduro-Erfahrung. (Text: Guido Gluschitsch, Fotos: BMW, derStandard.at, 29.6.2006)