EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat einen erneuten Vorstoß unternommen, die Kompetenzen der Kommission in der Justiz- und Sicherheitspolitik zu vergrößern. "Die Bürger erwarten von der EU, dass sie gegen Bedrohungen wie den Terror oder illegale Einwanderung und organisierte Kriminalität vorgeht, aber die Mitgliedsstaaten geben uns die notwendigen Instrumente dafür nicht in die Hand,"sagte Barroso auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Justiz- und Sicherheitskommissar Franco Frattini.

Barroso will, dass die Kommission Justiz-Abkommen einfordern und sicherheitspolitische Entscheidungen treffen darf, ohne dass einzelne Länder ihr Veto einlegen können. Frattini sagte, bisher hinkten viele EU-Staaten bei der Umsetzung ihrer Vereinbarungen in der Innenpolitik hinterher. Derzeit hätten etwa nur fünf Länder - darunter Österreich - einen Beschluss zum Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie umgesetzt. Und allein Spanien setzte eine Vereinbarung zu grenzüberschreitenden Ermittlungsteams der Sicherheitskräfte um. Vor allem Deutschland wehrt sich aber gegen die Forderung Barrosos nach Abschaffung nationaler Vetos in einigen Bereichen der Innen- und Justizpolitik, berichete Reuters.

Mit ihren Vorschlägen würde die EU-Kommission das ausschließliche Vorschlagsrecht bekommen und Beschlüsse könnten auch gegen den Widerstand einzelner Staaten fallen. Zudem würde die Rolle des Parlaments und des Europäischen Gerichtshofes gestärkt.

Deutschland lehnt die Pläne ab, weil eine ähnliche Reform auch in der auf Eis liegenden EU-Verfassung vorgesehen ist. Barroso sagte, es gehe ihm nicht darum, Teile der Verfassung vorab in Kraft zu setzen. Die Kommission wolle nur die bisherigen Möglichkeiten der EU-Verträge nutzen, um Europa voranzubringen. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2006)