Wien/Moskau - Unter dem Eindruck eines neuerlich drohenden Gaskonflikts Russland-Ukraine und eingedenk des steigenden Energiehungers will auch Europa mehr Flüssiggas zapfen. Ein Großprojekt, das in der Nähe Österreichs vor der Umsetzung steht, wird von der OMV mitgetragen. Zusammen mit Partnern will der Öl- und Gaskonzern auf der Insel Krk in Kroatien einen Flüssiggasterminal samt Hafen bauen.

"Wir sind dabei, das Projekt zu finalisieren", sagte der Chef von OMV Gas, Werner Auli, dem Standard. Flüssiggas könne aufgrund des technischen Fortschritts wesentlich billiger zur Verfügung gestellt werden als noch vor ein paar Jahren, sagte Auli.

Flüssiges Erdgas(Liquified Natural Gas; LNG) entsteht bei minus 162 Grad in so genannten Coldboxes, bis zu 60 Meter hohen Kühltürmen. Darin schrumpft das Erdgas während der Verflüssigung auf ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens. Das so gewonnene LNG wird mittels riesiger Tankschiffe dorthin gebracht, wo es benötigt wird: nach Europa, Amerika oder Fernost.

Riesentanker

Die Schiffe sind so groß wie drei Fußballfelder und können bis zu 140.000 m3 Flüssiggas aufnehmen - genug um mehr als 30.000 Haushalte ein Jahr lang zu heizen. Am Zielort angekommen wird das Flüssiggas verdampft, in die Netze eingespeist oder direkt zur Stromerzeugung genutzt.

Die Investition in Krk, für die noch ein größerer Gaskonzern als Partner gewonnen werden soll, bezifferte Auli mit "700 Millionen Euro plus", die voraussichtliche Kapazität mit "zehn bis zwölf Millionen Kubikmeter pro Jahr".

Flüssiges Erdgas hat weltweit Konjunktur. Auch die russische Gasprom will verstärkt in dieses Marktsegment einsteigen und bei St. Petersburg einen Verflüssigungsterminal bauen. Der Gasriese bemüht sich außerdem um Anteile am LNG-Projekt "Sachalin II". Dort hat Shell die operative Führung, außerdem sind Mitsubishi und Mitsui aus Japan mit im Boot. "Wir wollen da hinein und verhandeln gerade", sagte Gasprom-Sprecher Sergej Kuprianow. Von dort soll das Gas per Schiff auch in die USA.

Washington unterstützt ein Pipelineprojekt, über das Erdgas vom hohen Norden Alaskas nach Chikago transportiert und dort weiter verteilt werden soll. In Alaska gibt es nach Schätzungen von Experten Erdgasvorkommen, die dem gesamten US-Erdgasbedarf eines Fünfjahreszeitraums entsprechen. Auch für Clay Hoes, Fondsmanager des American Express Funds Global Energy Equities, ist Erdgas ein großes Zukunftsthema. Zu lange wurde zu wenig in neue Öl- und Energie-Vorkommen investiert, was sich jetzt räche, sagte Hoes. (stro, bpf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.6.2006)