Mit einer von 17 Kameras aufgenommen, die neunzig Mintuen lang auf Zidane gerichtet waren. Wie ein störrisches Pferd zieht er seine Schuhe nach.

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Mit einer Legende zusammenzuspielen, ist im Fußball nicht immer leicht. Legenden haben ihr eigenes Tempo, manchmal zwickt auch die Physis, und die Gegner glauben nicht immer an Legenden. Zinédine Zidane hat im Achtelfinale gegen Spanien seiner ohnehin schon unglaublichen Legende ein Kapitel hinzugefügt, ein kleines Satyrspiel zu der Tragödie der Spanier.

Das ganze Ausmaß, das die Verehrung inzwischen angenommen hat, konnte man in Frankreich in den Wochen vor der WM auch in den Kinos sehen. Dort läuft nämlich derzeit ein Film, der unter religiösen Gesichtspunkten nur als Idolatrie (Verehrung eines Götterbilds) begriffen werden kann: "Zidane - Ein Porträt des 21. Jahrhunderts"stammt von den beiden Starkünstlern Douglas Gordon und Philippe Parreno. Es gab eine Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes (der Standard berichtete), eine weitere bei der Kunstmesse in Basel, jetzt läuft das Opus in den Multiplexen, gut möglich, dass im Oktober bei der Viennale zu sehen ist.

Gordon und Parreno griffen eine Idee des verstorbenen deutschen Autorenfilmers Hellmuth Costard auf, der in den frühen Siebzigerjahren während eines Fußballspiels neunzig Minuten nur George Best aufgenommen hatte. Bei einem ganz gewöhnlichen Match in der spanischen Primera División (im ganz gewöhnlich ausverkauften Bernabéu-Stadion) spielte Zidane im Jahr 2005 mit Real Madrid gegen den FC Villareal, und siebzehn Kameras waren dabei nur auf ihn gerichtet.

So entfaltet sich das Drama eines Spieles, von dem die Künstler vorher nicht wissen konnten, durch welche Höhen und Tiefen es ihren Protagonisten führen würde. Villareal geht früh durch einen unberechtigten Elfer in Führung (eine dynamische Supergroßaufnahme zeigt, dass der Verteidiger, nur mit den Fußspitzen im Bild, den Ball spielt).

Damals: schlurfen

Dann plätschert das Spiel lange Zeit auf recht mäßigem Niveau dahin - zumindest hat es den Anschein, denn zu sehen ist meist nur Zidane, der viel läuft, aber häufiger über das Feld schlurft und seine Fußballschuhe wie ein störrisches Pferd ein wenig nachzieht, anstatt fest aufzutreten.

Gordon und Parreno gehen mit den Zooms bis auf Porentiefe an Zidane heran, und sie haben auch die Tonspur ein wenig indiskret nachsynchronisiert. So wird aus jeder Ballberührung ein kleiner Spezialeffekt, während Zidane ständig kaum hörbar mit sich selbst murmelt. Ein effektvoller Antritt und eine Flanke von ihm führen in der zweiten Halbzeit zum Ausgleichstreffer, später geht Real Madrid noch in Führung, und nach einer letzten Drangperiode scheint der Sieg schon sicher.

Zidane gönnt sich einen erleichterten Scherz mit Roberto Carlos, geht dann aber noch einmal in einen Zweikampf und holt sich in der Nachspielzeit eine rote Karte. Das Bild des Helden, der inmitten der tausenden Fans auf den Rängen in dem kaum auszunehmenden Spielertunnel auf der gegenüberliegenden Seite der Kamera verschwindet, lässt jeden offiziellen Rücktritt, den Zidane noch erklären wird, zu einer Farce werden.

Und jetzt: Brasilien

Er wird sich nicht in ein Privatleben zurückziehen können und am Ende später sogar noch die Spiele von anderen, weniger legendären Kollegen kommentieren: Zidane wird entrückt werden, und dieser Film kanonisiert seine Legende. Am Samstag in Frankfurt aber muss er gegen ein selbst schon ein wenig legendäres Team aus Brasilien noch einmal in den Reality Check. (Bert Rebhandl aus Berlin - DER STANDARD PRINTAUSGABE 29.6. 2006)