Alfred Gusenbauer hat seinen Konflikt mit der ÖGB-Spitze damit begründet, dass viele Betriebsräte der Meinung seien, ihre Spitzenfunktionäre sollten nicht im Parlament sein. Der Standard hat einige von ihnen befragt. Die Reaktionen: überwiegend positiv.

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Wien - Roland Bauer, Betriebsrat im Grazer Hochtechnologie-Textilunternehmen "Sattler AG", macht die Belegschaftsvertretung "nebenbei", wie er sagt. "Politisch gesteuert" sei die von Alfred Gusenbauer angestoßene Debatte um die Ausschluss von ÖGB-Spitzenfunktionären vom Parlament. Bauer: "Das ist nur ein Konflikt auf den obersten Ebenen. Einfache ÖGB-Mitglieder haben da wenig Chancen mitzureden. Es geht einigen nur um Macht- und Postenstreben, um politischen Einfluss."Gerade jetzt, wo es "solche Probleme am Arbeitsmarkt gibt, wo es den Unternehmen nur um Gewinnorientierung geht. Das alles tut weh", sagt Bauer zum Standard.

"Vertrauen verloren"

Als "einfaches ÖGB-Mit-glied"habe er kein Verständ-nis für das Agieren der ÖGB-Spitze. Bauer: "Die sollen für uns da sein und nicht nach persönlichen Optionen Aus-schau halten. Der ÖGB habe da "viel Vertrauen verloren". Auf die Wahl werde sich der Konflikt nicht auswirken, prophezeit Bauer: "Gusenbauer wird sicher nicht fallen gelassen."

"Absolut entbehrlich" findet Gerda Bacher, Betriebsrätin im Kaufhauskonzern Kastner & Öhler den Konflikt, zumal es "genug Probleme in den Betrieben gibt". "Natürlich" solle es Arbeitnehmer-Vertreter im Parlament geben. Für den Vorstoß des SPÖ-Chefs Alfred Gusenbauer habe sie aber Verständnis. Viele Mitarbeiter seien der Meinung, dass hohe ÖGB-Funktionäre "nicht unbedingt im Parlament sitzen müssen." Gusenbauer habe aber die Sache "ungeschickt" vorgetragen.

Kurt Christof, mächtiger Zentralbetriebsrat in der Verbund-Kraftswerkstochter ATP (Austrian Thermalpower) und führenderVerbund-Belegschaftsvertreter, sieht die Sache anders. Derartige "politische Bocksprünge" wie jene von Gusenbauer seien nicht erwünscht. Die "optimale Lösung" wäre aber dennoch, "wenn vorrangig wirkliche Betriebsräte, die die Realität im Wirtschaftsleben täglich erleben, im Parlament säßen".

Dass nach dem Gusenbauer-Vorstoß die Betriebsräte geschlossen eine Unterstützung der SPÖ im Wahlkampf verweigern könnten, glaubt Christof nicht. Dass FSG-Vorsitzender Wilhelm Beck Gegenteiliges ankündigt hat, ärgert ihn: "Das hätte sich Beck sparen können."

Praktisch reagiert Elfriede Lippert, Betriebsrätin für 2986 "Merkur"-Arbeiter, auf den Streit zwischen SPÖ und FSG: "Meine Leute haben ihre eigenen Probleme, die haben das nicht wahrgenommen." Freilich, wenn sie jeden einzelnen fragen würde, ob Gusenbauers Vorstoß richtig war, würde sie "wahrscheinlich ein Ja hören", meint Lippert, "weil die Leut angfressen sind auf den ÖGB". Bei "Merkur" gibt es nur wenige ÖGB-Mitglieder, wenn Lippert jemanden anwerben will, kann sie sich einiges anhören. "Damit brauchst gar nicht kommen", sagen die Kollegen etwa. Sie glaubt aber nicht, dass die SPÖ wegen des Streits mit dem ÖGB die Wahl verliere: "Wer immer rot wählt, wird es auch jetzt tun."

Ingrid Streibel-Zarfl, Betriebsratsvorsitzende in der Bawag-PSK und ergo sozusagen im "Auge des Orkans", seufzt dagegen: "Das war das falsche Thema zur falschen Zeit. Jetzt gilt es, die Solidarität zu halten."

"Wenig Begeisterung"

"Siemens"-Betriebsrat Walter Krippl hält das Thema für richtig: "Wir wollen schon im Parlament sitzen. Ob das die erste Reihe des ÖGB sein muss, darüber kann man diskutieren."Bei den Kollegen habe "wenig Begeisterung"darüber geherrscht, "die haben geglaubt, Gusenbauer will uns alle aus dem Parlament werfen". Man habe "einiges zu tun gehabt, um das klarzustellen".

Andere Probleme hat derzeit ORF-Betriebsrat Joe Lessnik, zuständig für den Bereich "Programm": "Wir kochen im Moment in unserer eigenen Suppe, das überdeckt alles." (DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2006)