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Einer der Schwerpunkte der derzeit in Vilanova i la Geltrú stattfindenden GNOME- EntwicklerInnenkonferenz GUADEC ist der Versuch althergebrachte Konzepte am Desktop zu hinterfragen und neue Wege beim User Interface zu beschreiten. Eine Reihe von unterschiedlich weit gediehenen Programmen widmen sich diesem Thema und werden im Rahmen der Konferenz präsentiert.

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Slab

So hat der Novell-Entwickler Jim Krehl nun den Code für das im SUSE Linux Enterprise Desktop vorgestellte neue Startmenü freigegeben. Einen eigenen Namen hat man sich mittlerweile auch dafür einfallen lassen, unter dem Titel Slab steht es ab sofort im GNOME CVS zur Verfügung, fertige Pakete gibt es momentan allerdings noch keine.

Screenshot: Redaktion

Paradigmen

Was manche auf den ersten Blick fälschlicherweise für einen Abklatsch des Windows-Startmenü halten, verhält sich in der Realität recht anders: Einen Menübaum wie bisher von Windows oder GNOME / KDE gewohnt, sucht man vergeblich, statt dessen werden nur die favorisierten Anwendungen angezeigt. Alle anderen sind über einen "Application Browser" erreichbar, in dem die Programme nach Kategorien sortiert aufzufinden sind, ein Suchfenster hilft beim Eingrenzen des Angebots. Neu installierte Anwendungen werden prominent an oberster Stelle platziert.

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Grundlagen

Dies Basis von Slab bilden die sogenannten "Tiles": Dabei handelt es sich um "grafische Elemente, die Systemobjekte im User Interface abbilden", also eigentlich etwas, das dem klassischen Verhalten von Desktop-Icons nicht unähnlich ist. Auch Tiles besitzen z.B. ein Kontextmenü, allerdings bieten sie wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten und erlauben Informationen flexibler zu gruppieren. Bisher kommen die "Tiles" - neben dem Slab - vor allem in der Desktopsuche Beagle zum Einsatz, durch die Veröffentlichung einer C-Library sollen sie in Zukunft aber auch anderen Anwendungen zur Verfügung stehen.

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Untersuchungen

Das neue Interface ist Ergebnis intensiver Usability-Studien wie Novell-Usability-Expertin Anna Dirks im Gespräch mit dem WebStandard herausstreicht. Dabei haben sich einige Probleme im klassischen Design gezeigt, die man versucht mit Slab zu beheben, so waren die Namen im Menü oft unverständlich, was dazu führte, dass viele Leute die entsprechend Programme einfach nicht fanden. Durch die Tiles gibt es nun zusätzliche Informationen zu den einzelnen Programmen. Die Probleme mit einem klassischen hierarchischen Menü führen auch oft dazu, dass viele BenutzerInnen dieses einfach nicht mehr verwenden, sondern ihre wichtigsten Programme als Icons am Desktop ablegen.

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Möglichkeiten

Außerdem habe sich gezeigt, dass die meisten BenutzerInnen im Schnitt gerade mal vier Programme regelmäßig benutzen. Darum habe man sich dazu entschlossen, die wichtigsten deutlich prominenter und einfacher erreichbar zu positionieren. Das resultierende Interface lässt sich weitgehend den eigenen Bedürfnissen anpassen, so gibt es etwa eine integrierte Beagle-Suche, wer diese nicht will, kann sie aber auch auf Wunsch deaktivieren. Zusätzlich zur Default-Ansicht kann Slab auch die zuletzt benutzten Programme und Dokumente darstellen. Das ist ebenfalls eine Lehre aus den Usability-Tests - viele UserInnen würden schlicht in Dokumenten denken, diese stehen im Zentrum ihres Computeralltags und nicht die dahinter stehenden Programmen.

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Gimmie

Noch deutlicher von bisherigen Ansätzen geht "Gimmie" ab, ein Desktop-Bar des Tomboy-Autors Alex Graveley. Die Software soll neue Wege "den Desktop zu denken" beschreiten, wie dessen Hauptentwickler in seiner Präsentation auf der GUADEC heraus strich. Die Grundüberlegungen, warum eine Neuentwicklung notwendig ist, sind ähnliche wie bei Slad: Es sei zu leicht sich in Untermenüs zu verlieren, auch sind die Menüs nicht durchsuchbar. Zusätzlich wären nützliche Dinge wie die "zuletzt benutzten Dateien" oder auch Task-Listen nicht sichtbar genug, so dass sie kaum verwendet würden.

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Workflow

Zur Zeit dominieren im Bereich des User Interface vor allem zwei Herangehensweisen: Einerseits der "Windows based Workflow", wie ihn KDE, GNOME und Windows derzeit einsetzen, der aber den Nachteil habe, das laufende Programme und andere Desktop-Objekte unterrepräsentiert sind. Umgekehrt der "Application based Workflow", wie er bei Mac OS X zum Einsatz kommt, bei dem aber einzelne Dokumente keine hohe Sichtbarkeit haben. Dem setzt Gimmie den "Object based Workflow" entgegen, bei dem alle geöffneten Objekte eine Repräsentation haben sollen.

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Ansatz

Die einzelnen Objekte werden dabei in Topics gruppiert, Überlappung sollen ebenso vermieden werden, wie unnötige Objekte, die bei den UserInnen nur zu einem "Information Overflow" führen würden. Anstatt einer Menüstruktur gibt es einzelne Fenster mit "flachen" Hierarchien und integrierter Suche. Eingeteilt ist das Ganze in die Kategorien "Applications, Documents, People, Computer", wichtige Tätigkeiten werden zusätzlich im Toolbar festgehalten.

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Benutzung

Eine wichtige Funktion ist dabei die "Recently Used"-Funktion, der angezeigte Zeitraum der zuletzt verwendeten Objekte kann variiert werden. Objekte, die öfter und aktueller als andere verwendet wurden, werden größer als andere dargestellt, ähnlich wie es bei "Tag clouds" im Web praktiziert wird. Auf diese Weise soll das Auge beim Aufspüren der relevanten Informationen unterstützt werden.

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Kommunikation

Eine eigene Ansicht gibt es für Personen, mit denen man kommuniziert. Unter anderem werden E-Mail-Kontakte und Chat-Buddies hier angezeigt. Auch kann an dieser Stelle - wenn die Gegenseite dies zulässt - gesehen werden, ob die jeweiligen Personen gerade online sind.

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Experimentell

Derzeit handelt es sich bei Gimmie noch um einen Prototyp. Zwar hat Graveley im Rahmen der GUADEC nun eine erste Testversion veröffentlicht, wann es aber eine fertige Version geben wird, ist derzeit ebenso unklar, wie die Frage, ob die Software jemals Teil einer offiziellen GNOME-Version werden soll. Für solche Überlegungen sei es noch zu früh, schließlich müsse sich erst zeigen, ob die UserInnen mit dem neuen Konzept etwas anfangen können.

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Zukunft

Auch gilt es bis dahin noch eine ganze Menge an Verbesserungen vorzunehmen, so soll Gimmie noch mit diversen Webservices wie GMail, Wikipedia und Friendster integriert werden - alles was Teil des "digitalen Lebens" der UserInnen ist, soll eine Repräsentierung erhalten. Auch das derzeitige User Interface sei noch alles andere als optimal, nicht nur in optischer Hinsicht, sondern auch, weil es zu viel Platz einnehme, so Graveley. Die GUADEC zeigt auch, dass die verschiedenen Projekte nicht notwendigerweise miteinander konkurrieren, so denkt der Gimmie-Autor darüber nach die Tiles von Slab auch in seiner Software einzusetzen.

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Lowfat

Ein weiteres Projekt das mit neuen Ideen experimentiert ist "Lowfat". Dieses soll ein Interface werden, dass einen "natürlicheren" Weg findet mit Dateien umzugehen. In diesem Bereich habe sich seit vielen Jahren nichts mehr getan, statt in hierarchischen Dateisystemen in Files zu stöbern, sollen die Dokumente im Vordergrund stehen. Mit der mittlerweile verfügbaren Hardware ließen sich auch optisch wesentlich fortgeschrittenere Dinge als bisher erreichen, etwa Bilder wie auf einem realen Tisch umzusortieren, zu drehen und heranzuzoomen.

Grafik: Lowfat

Interesse

Auch wenn das ganze noch im experimentellen Stadium ist, auf der GUADEC bilden sich regelmäßig Trauben, wenn Autor Mirco Müller die Software demonstriert. Das starke Interesse für neue Konzepte ist unübersehbar. (Andreas Proschofsky berichtet aus Vilanova i la Geltrú)

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