Eine Debatte über die Verfassung kam nicht in Schwung, während ein Vorstoß von Wolfgang Schüssel über neue Beitrittskriterien strikt abgelehnt wurde.

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Die Innen- und Sicherheitspolitik der EU ist das umstrittenste Kapitel, mit dem sich die österreichische Präsidentschaft auseinanderzusetzen hatte.

Schon fast als Symbol der faktischen Zersplitterung der EU steht an erster Stelle natürlich der Streit um die gemeinsame Verfassung, die eigentlich die EU näher an die Bürger bringen und Entscheidungen in einer Union mit 27 und mehr Mitgliedern erleichtern sollte - und die dennoch in den Köpfen der meisten Bürger als das Gegenteil angesehen wird.

"Wir haben uns vorgenommen, die Verfassungsdiskussion neu zu beginnen,"sagte Ratspräsident und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel acht Tage, nachdem Österreich die Präsidentschaft übernommen hatte. Von einer neuen Diskussion ist allerdings in den Wochen und Monaten danach nicht mehr zu hören gewesen - was allerdings nicht nur an Österreich lag: Vor allem die Niederländer behandelten das Thema wie eine heiße Kartoffel. Weitere Belebungsversuche wurden erleichtert in die deutsche Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 verschoben.

Neben der Verfassung bewegte natürlich die eng mit ihr verknüpfte Diskussion um die Erweiterung die innenpolitische Debatte der EU. Hier versuchte Schüssel, Akzente zu setzen: Die bereits beim Türkei-Verhandlungsbeginn von ihm hineinreklamierte "Erweiterungsfähigkeit"der Union sollte auf eine breitere Basis gestellt und mit Fakten unterlegt werden.

In den ursprünglichen Schlussforderungen des Juni-Gipfels wurde die EU-Kommission vom Rat beauftragt, eine Liste mit Kriterien zu erstellen, die die Aufnahmefähigkeit der Gemeinschaft beschreiben würden. Diese Pläne wurden zur größten Niederlage Österreichs im Rahmen seines Vorsitzes. Selbst Frankreich, sonst in dieser Frage immer auf der Seite Österreichs, zog zurück, und Kommissionschef José Manuel Barroso sagte zu zum Ärger Schüssels bei der gemeinsamen Abschluss-Pressekonferenz, mit der Liste seien keine neuen Kriterien für neue Mitglieder verbunden - auch, wenn das Schüssel noch immer anders sieht und EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner in dieser Frage noch heftige Diskussionen erwartet.

In der Sicherheitspolitik stand die Flüchtlingsfrage im Mittelpunkt der Präsidentschaft. Hier bemühte sich Innenministerin Liese Prokop um eine gemeinsame Abschiebepraxis, die vor einer Woche auch in Österreich Premiere hatte: Acht Personen aus Frankreich, Polen und Österreich wurden per Charter in die ehemaligen Sowjet-Republiken rückgeführt.

Weniger erfolgreich war bisher die Liste der sicheren Herkunftsländer:

Dieser Liste zufolge sollten Staatsbürger aus solchen Staaten in einem verkürzten Asylverfahren in ihre Heimat zurückgeführt werden. Doch bisher gibt es keine Einigung auf die Länder, die auf die Liste kommen sollten. Diplomaten in Brüssel bezeichneten das Vorhaben als "Pfusch", der auch durch die österreichische Vorwahlzeit begründet sein könnte. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.6.2006)