START-Preisträger 2006 Hartmut Häffner.

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Quantenphysiker wie Hartmut Häffner sind vor allem neugierig. Sie wollen Dinge verstehen, "die scheinbar Unsinn sind - anders gesagt: unserer Erfahrung widersprechen - und trotzdem wahr sind".

Für sein Forschungsprojekt über die Kopplung von Ionenfallen-Quantencomputern, bekam er vom Wissenschaftsfonds einen von fünf "Start"-Preisen verliehen. Seine Zunft untersucht, was passiert, wenn man Materie immer weiter teilt. Irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem sich die Bestandteile unserer Welt "nicht mehr normal verhalten": Die Teilchen können an zwei Orten gleichzeitig sein und beeinflussen sich scheinbar über beliebig lange Distanzen instantan. "In der Quantenwelt hat es keinen Sinn, das Wesen der Dinge losgelöst vom Messinstrument zu betrachten", wobei Häffner zugibt, dass solche Aussagen eher mit Philosophie als Physik zu tun haben.

Er selbst lockt am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) täglich Ionen als "Quanteninformationsträger" in die Falle, deren Eigenschaften er gut kontrollieren kann. Bis zu acht Ionen - derzeit ein Welt-Wissenschafts-Rekord - können in Innsbruck in Überlagerungszustände versetzt werden. "Wenn man das mit mehren Ionen gleichzeitig macht, potenzieren sich die Möglichkeiten, wie sie sich gegenseitig beeinflussen: "300 Quantenbits führen zu 2 hoch 300 möglichen Zuständen des Quantenregisters - alle parallel realisiert -, die jeden klassischen Computer überfordern würden", rechnet Häffner vor.

"Ich versuche mehrere Ionenfallen mit Drähten so miteinander zu koppeln, dass man dieses Potenzial ausschöpfen kann", erklärt der Physiker. Weil ein Quantensprung eigentlich verdammt klein ist, würde Häffner wenn er es schafft, lieber das Wort "Durchbruch" verwenden.

Physik studierte der 1970 in Mainz Geborene, "weil ich viel mit Intuition arbeiten und meinen Horizont mit den Formalismen der mathematischen Physik erweitern konnte". Ein Jahr verbrachte er als Stipendiat am National Institute for Standards and Technology in Gaithersburg, USA.

Die Kultur in den Staaten beeinflusst seiner Meinung nach die Wissenschaft in zweierlei Hinsicht positiv: Er konnte dort Physik betreiben, "ohne sich über alle möglichen Probleme vorher Gedanken machen zu müssen", und lernte, dass eine klare und prägnante Darstellung von wissenschaftlichen Ergebnissen genauso wichtig ist wie die Erkenntnis an sich - nach der Devise "Erst verstehen - dann publizieren".

Als er zurückkam, fiel ihm auf, "wie desinteressiert Europäer eigentlich an Technologie sind. Viele Leute sind stolz, darauf in Mathe oder Physik schlecht zu sein, "solche Menschen habe ich in den USA nicht getroffen". Stattdessen waren auch viele Nichtwissenschafter oft begeistert, wenn man versuchte, ihnen zu erklären, was man als Forscher macht.

Rainer Blatt vom IQOQI lockte ihn im November 2001 "mit exzellenten Entwicklungschancen an einem sehr interessanten Projekt" nach Innsbruck, wo er "ein paar Türen weiter zu fast allen Fragen der Quantenphysik kompetenteste Antworten" bekommt.

Mit bisherigen Stipendien und Preisen hat er vor allem seinen jeweiligen Arbeitgebern Geld gespart. Das ist mit dem Start-Preis anders: Die Finanzierung seines Projekts für mehrere Jahre bedeutet für ihn "wissenschaftliche Selbstständigkeit, die Möglichkeit zu persönlicher Weiterentwicklung, eine Perspektive in Innsbruck und natürlich Anerkennung".

In seiner Freizeit macht er viel Sport im Freien: Windsurfen, Wildwasserkajak oder Skitouren. Er liest gerne englische Originalliteratur und hört je nach Laune Punk oder Klassik - jedoch selten, wenn er Quanten fängt. (DER STANDARD, Printausgabe, 28. Juni 2006)