Kaiserslautern/Melbourne - Innerhalb weniger Sekunden haben
der spanische Schiedsrichter Luis Medina Cantalejo, Francesco Totti
und das italienische Fußball-Nationalteam einen ganzen Kontinent in
den frühen Morgenstunden zurück auf den Boden der Realität geholt.
Millionen euphorischer Australier hatten das WM-Achtelfinale der
"Socceroos" gegen Italien auf Großbildleinwänden verfolgt und wurden
durch den in der letzten Minute der Nachspielzeit verhängten und vom
AS-Roma-Star verwandelten Foulelfmeter brutal aus ihren Träumen
gerissen.
Der Federation Square von Melbourne, Treffpunkt zehntausender
"Aussie"-Fans, die das erste WM-Turnier ihres Teams seit der Endrunde
1974 in Deutschland begeistert mitverfolgten, verwandelte sich
innerhalb weniger Augenblicke in einen Ort der Trauer und Wut. "Die
Elfmeterentscheidung war grausam, ein absoluter Witz", meinte etwa
der ehemalige Nationaltrainer in "Down under", Rale Rasic. "Lucas
Neill (der das vermeintliche Foul begangen hatte/Anm.) war einer der
besten Spieler des Turniers und man muss einfach Sympathie für ihn
empfinden."
Zwei Herzen in einer Brust
Wie schon im Gruppenspiel gegen Kroatien (2:2) schlugen in vielen
multikulturellen Gemeinden Melbournes zwei Herzen in der Brust vieler
Fußball-Fans. Dieses Mal stand das italienische Viertel entlang der
Lokalmeile der Lygon Street, wo schon seit Turnierbeginn "Forza
Italia"-Banner neben australischen Flaggen wehten, im Zentrum des
Interesses. Wieder störte es keinen Menschen, dass Guus Hiddink und
seine tapferen "Socceroos" die Australier um ein Uhr Ortszeit um
ihren wohl verdienten Schlaf brachten.
Mehr als 50.000 Fans verfolgten allein in diesem Stadtteil das
grausame Ausscheiden der "Aussie"-Kicker, die Nationalsportarten wie
Cricket oder Rugby zumindest für zwei Wochen in den Hintergrund
drängten. Die Polizei hatte ähnlich viele Einsatzkräfte im Einsatz
wie sonst nur zum Jahreswechsel, jedoch nur wenig zu tun. Zuvor hatte
man in Melbourne bereits beschlossen, die WM-Helden unabhängig vom
Ausgang des Achtelfinales mit einer großen Parade zu empfangen. "Wir
wollen unsere Socceroos auf jeden Fall mit einem Riesenfest
begrüßen", hatte der Sportminister von Victoria, Justin Madden, schon
vor Anpfiff angekündigt.(APA)