Bild nicht mehr verfügbar.

Der entführte Soldat Gilad Shalit auf einem Archivbild

Foto: Getty Images/Shalit family
Mit heftigsten Drohgebärden signalisierten am Montag die Israelis, dass das Schicksal ihres von radikalen Palästinensern festgehaltenen Soldaten die nächsten politischen und militärischen Entwicklungen in der Region bestimmen würde. Während am Ostrand des Gazastreifens starke Panzer- und Infanterieverbände zusammengezogen wurden, schienen sich die Warnungen von Premier Ehud Olmert insbesondere an die Hamas-Regierung zu richten.

„Es wird keine Immunität für irgendein Element geben, das in irgendeiner Weise mit der Entführung des Soldaten Gilad Schalit zu tun hat“, sagte Olmert in Jerusalem. Er habe Anweisungen zur Vorbereitung einer „umfassenden und andauernden militärischen Aktion“ gegeben – „wir werden alle erreichen, an jedem Ort, und sie wissen das“.

Ein Ultimatum mit einem eindeutigen Ablaufdatum wurde aber nicht verkündet, und es schien noch genügend Zeit für diskrete Kontakte und diplomatischen Druck zu bleiben. Ägyptische Vermittler, die in der Nacht auf Montag in den Gazastreifen gereist waren, hatten offenbar zumindest indirekten Kontakt mit den Entführern. Auch Frankreich mischte intensiv mit, weil Schalit neben der israelischen auch die französische Staatsbürgerschaft hat. Alle Beteiligten gingen davon aus, dass der 19-jährige Korporal zwar verletzt, aber in relativ guter Verfassung wäre.

Ein palästinensisches Kommando hatte ihn Sonntag früh in den Gazastreifen verschleppt – die Angreifer waren durch einen rund 700 Meter langen, in zehn Meter Tiefe verlaufenden Tunnel, dessen Aushebung Monate gedauert haben muss, auf die israelische Seite gelangt.

Keine Forderungen bekannt

Von Forderungen der Entführer war nichts bekannt, und auch über ihre Identität herrschte Verwirrung. Ob Schalit aber von den „Volkswiderstandskomitees“ oder doch vom bewaffneten Flügel der Hamas festgehalten wurde, schien nicht wirklich relevant zu sein, weil die beiden Gruppen sich personell überschneiden. Während Familien von in Israel inhaftierten Palästinensern verlangten, dass der Soldat nicht ohne Gegenleistung freigelassen werden sollte, versuchte die Hamas-Regierung zu lavieren.

„Wir sind interessiert, das Problem rasch und in Ruhe und ohne Eskalation zu lösen“, sagte Regierungssprecher Ghasi Hamad, vermied es aber, den Überfall und die Entführung zu verurteilen. Die Aktion, in die Teile der Hamas verstrickt sind, hat den von den Islamisten gestellten Premier Ismail Haniyeh in Verlegenheit gebracht. Sie demonstriert, dass die von Khaled Meschal in Damaskus geführte „Auslands-Hamas“ über Haniyes Kopf hinweg die Fäden zieht und anscheinend gewillt ist, die sich abzeichnende Kooperation mit Präsident Mahmud Abbas zu torpedieren. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2005)