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Die Ärztegewerkschaft fordert für die etwa 70.000 Ärzte unter anderem einen eigenen Tarifvertrag, mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen.

Foto: APA/dpa/Felix Heyder
Berlin/Frankfurt - Nach dem Ende des Tarifkonflikts an den deutschen Universitätskliniken haben am Montag Ärztestreiks an kommunalen Krankenhäusern begonnen. Rund 7.500 Ärzte legten nach Angaben der Gewerkschaft Marburger Bund in Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen die Arbeit nieder. Schwerpunkt war demnach Bayern, wo rund 6.000 Mediziner zum Streik aufgerufen waren. In München nahmen laut Gewerkschaft rund 2.000 Mediziner an einer Demonstration teil. Aus Protest gegen Bürokratieaufwand und die Nicht-Erstattung von Leistungen schlossen in Berlin auch etwa 1.000 niedergelassene Kassenärzte ihre Praxen. Ab Mitte der Woche sollen zusätzliche Kliniken in Bremen und im Saarland bestreikt werden.

Die Ärztegewerkschaft will in dem festgefahrenen Tarifkonflikt höhere Einkommen und einen arztspezifischen Tarifvertrag für die rund 70.000 Ärzte an den kommunalen Kliniken erreichen. Bei der Deutschland-weiten Urabstimmung hatten sich 97,1 Prozent der organisierten Krankenhausärzte für einen Streik ausgesprochen. Die Arbeitgeber reagierten mit Unverständnis auf den Arbeitskampf.

Schwerpunkt in Bayern

In Bayern waren Kliniken in München, Augsburg, Altötting, Fürstenfeldbruck, Landshut, Nürnberg und Traunstein betroffen. In Baden-Württemberg wurde in Göppingen, Offenburg und Stuttgart gestreikt, in Schleswig-Holstein in Neumünster, Rendsburg und Eckernförde. In Hessen war die Klinik in Frankfurt-Höchst in den Arbeitskampf eingebunden.

Der Verhandlungsführer der kommunalen Krankenhäuser, Otto Foit, wies die Forderungen des Marburger Bundes zurück. Der mit den Ländern abgeschlossene Tarifvertrag für die Ärzte an den Universitätskliniken sei für die Kommunen nicht finanzierbar, sagte Foit im "ARD-Morgenmagazin". "Der Marburger Bund lässt uns die Wahl zwischen Pest und Cholera." Einerseits drohten hohe Streikkosten, andererseits seien Gehaltserhöhungen nicht finanzierbar. Er verwies zudem auf die Folgen des Arbeitskampfs für die Patienten. Die kommunalen Krankenhäuser seien für die Versorgung an Ort und Stelle verantwortlich, weshalb der Streik die Bürger direkt treffe, sagte Foit. Er glaube, "dass sich der Marburger Bund mit dieser Aktion ins Abseits bewegt".

"Unverantwortlich"

Scharfe Kritik an den Streiks und den Gehaltsforderungen des Marburger Bundes übte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Die Forderungen seien "vollständig von der sozialen Realität abgekoppelt", erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Wer in einer Zeit, in der in allen Zweigen der Sozialversicherung um die Finanzierbarkeit gerungen werde, für eine Berufsgruppe in sozial verantwortlicher Schlüsselfunktion 30 Prozent Gehaltserhöhung fordere, handle "unverantwortlich".

Baum verwies zudem auf die bereits bestehenden Verträge. Junge Klinikärzte an kommunalen Krankenhäusern verdienten bereits heute das Einkommen, das der Marburger Bund für die Uniklinikärzte vor zwei Wochen erstreikt habe. "Nun wollen die Ärztefunktionäre nochmals nachkarten und brechen für ihr entrücktes Anspruchsdenken einen überflüssigen Streik vom Zaum", erklärte Baum.

Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) kritisierte die Streiks als ungerechtfertigt und unsolidarisch. DBfK-Bundesgeschäftsführer Franz Wagner verwies darauf, dass Berufsanfänger nach dem Medizinstudium ein Gehalt erhielten, das deutlich über dem anderer akademischer Berufe liege. Der Ärztestreik setze "sich nicht für das Wohl der Patienten und aller im Krankenhausbetrieb tätigen Menschen ein, sondern ausschließlich für die unmittelbaren Interessen der Ärzte selbst", erklärte Wagner in Berlin.

Kinderkliniken vom Streik ausgenommen

Laut Marburger Bund wird es in betroffenen Kliniken außer in Notfällen lediglich eine Versorgung wie in der Nacht oder am Wochenende geben. Allerdings sollten bestimmte Bereiche wie Kinderkliniken aus dem Streik herausgehalten werden. Der einwöchige Ausstand soll eine erste Streikwelle sein. Wenn die Arbeitgeber sich nicht bewegten, würden die Aktionen auf mehr Kliniken ausgeweitet.

Unterdessen kündigten die Ärzte an ostdeutschen Unikliniken an, trotz der Einigung zwischen den Ländern und dem Marburger Bund für höhere Gehälter zu kämpfen. Die Ärztesprecherin der Universität Leipzig, Cordula Röhm, sagte, man wolle mit Demonstrationen auf die Einkommensunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland aufmerksam machen. Sie forderte die Länder auf, die zwischen den Tarifparteien vereinbarte Öffnungsklausel zu nutzen. (APA/AFP/AP/Reuters)