Wien - Sportliche Großereignisse, wie die Fußball WM in Deutschland, sorgen nicht nur dafür, dass Fans aus aller Welt ihre Augen auf den jeweiligen Austragungsort richten. Auch Investoren richten ihren Fokus auf das Gastgeberland. Im Falle der Fußball-WM wird also auch die Frankfurter Börse zu einer Art Spielfeld werden, wo "Spieler"mitunter auch die "rote Karte"sehen werden.

Denn viele Anleger setzen darauf, dass Unternehmen von einem sportlichen Großereignis profitieren. Von Tourismusbetrieben, Wettanbietern, Sportartikelherstellern und Einzelhändlern - deren Umsätze zweifelsohne durch die Fußball-WM anziehen werden - wird oft auch ein Höhenflug ihrer Aktien erwartet. Auch Titel der Sponsoren wie Anheuser-Busch, Adidas, Coca- Cola, Gilette, McDonald's - um nur einige zu nennen - stehen während der kommenden Wochen im Blickfeld der Anleger.

Doch diese Rechnung geht nicht immer auf, denn im Umfeld von Fußball-WMs oder Olympischen Spielen steigen Aktien oft bereits weit im Vorfeld und neigen zu starken Schwankungen.

Im Durchschnitt legen die betroffenen Aktienkurse innerhalb von zwei Jahren - jeweils ein Jahr vor und nach dem Beginn des Ereignisses - um 13 Prozent zu (siehe Grafik), wie Dimitri Speck vom Münchener Analyse-Anbieter Seasonalcharts vorrechnet.

Um den Zusammenhang zwischen Sportereignissen und Börsenkursen zu verdeutlichen, hat Speck neun Olympische Spiele und sechs Fußball-Weltmeisterschaften seit 1960 analysiert, und zwar auf Basis des jeweiligen Aktienindex des Gastgeberlandes. Analysiert wurde der Zeitraum von zwei Jahren rund um das jeweilige Sportereignis. Aus dem Verlauf der Aktienindizes errechnete Speck einen Durchschnittswert, wovon sich ein Zwei-Jahres-Plus von zwölf Prozent ableiten lässt.

Einfach ausgedrückt: Im Jahr vor dem Beginn des Sportereignisses entwickelten sich die Börsenkurse im Schnitt rasant. In der Spitze legten sie über zehn Prozent zu, und kurz vor der Eröffnungsfeierlichkeit folgte die Trendwende: Im Durchschnitt fielen die Kurse stark und machten einen Teil des Gewinns zunichte. Erst etwa vier Monate nach der Eröffnung - wenn die Siegermedaillen längst verteilet sind - zogen die Aktienkurse wieder an. Ein Jahr nach dem Beginn der Veranstaltung notieren sie dann sogar höher als kurz vor deren Beginn.

Puma zeigt's vor

Dass Börsen die Zukunftsfantasien vorwegnehmen, zeigt das Beispiel des Sportartikelherstellers Puma. Für die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2010, die in Afrika stattfinden wird, hat das Unternehmen seine Marktchancen bereits vorweggenommen und kräftig investiert. Daher tragen einige afrikanische Nationalteams bereits in Deutschland Puma-Logos auf ihren Trikots. Dass Anleger dies goutieren, spiegelt sich im Aktienkurs vom Puma wider. Innerhalb von fünf Jahren konnte der Kurs an der Frankfurter Börse nahezu verzwanzigfacht werden. Konkurrenten wie Nike oder Adidas werden versuchen nachzuziehen, was wiederum deren Aktien interessant macht.

Für Schwankungen an den Finanzmärkten sorgt auch, dass "die Fußball-WM die Aufmerksamkeit vieler Anleger auf sich zieht, wodurch die Handelsvolumina im Juni zurückgehen", sagte Aktienstratege Rolf Elgeti von ABN Amro. Seiner Einschätzung nach werden zahlreiche Investoren während Großereignissen ihr Engagement zurückfahren und dem Markt damit auch Liquidität entziehen. "Daher ist er schwankungsanfälliger, die Volatilität nimmt zu", sagte Elgeti.

Eine Speziallösung für fußballbegeisterte Händler wurde im brasilianischen São Paulo gefunden. Im Land des Noch-Rekordweltmeisters werden die Handelszeiten an der Börse an die Anstoßzeiten der Nationalelf angepasst. So soll sichergestellt werden, dass Analsysten und Strategen weder Tore noch gute Kapitalmarkt-Chancen verpassen. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.6.2006)