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Russische Leitung: Gasprom-Sprecher Kuprianow.

Foto: APA/EPA/Sergie Chirikov
Moskau - Der russische Energiegigant Gasprom, der rund ein Viertel des europäischen Gasbedarfs abdeckt, will seine Marktmacht festigen und über neue Wege zusätzliches Erdgas in die EU schleusen. Eine von mehreren Routen soll von der Türkei über den Balkan nach Österreich führen. Das Pikante dabei: Die von Russland forcierte Pipeline hat etwa denselben Streckenverlauf wie die von der OMV vorangetriebene "Nabucco"-Leitung, die ab 2011 Gas aus dem kaspisch-iranischen Raum nach Europa bringen soll.

"Wir glauben, dass unser Projekt realistischer ist als 'Nabucco'", sagte Gasprom-Sprecher Sergej Kuprianow im Gespräch mit dem Standard. Russland verfüge nicht nur über die weltgrößten Gasreserven und ein gut entwickeltes Leitungsnetz, das Land habe auch Lieferverträge mit vielen Staaten in Europa, die längsten mit Österreich. "Das ist eine gute Basis, weitere Verträge aufzusetzen", sagte Kuprianow.

Die südeuropäische Pipe-line soll an die "Blue Stream"-Leitung andocken, die Gasprom mit Botas (Türkei) und Eni (Italien) gebaut hat. Seit 2003 gelangt auf diesem Weg Gas vom Norden Russlands via Schwarzes Meer bis Ankara. Eine Projektgesellschaft soll nun eine Machbarkeitsstudie für den Südeuropa-Strang erstellen.

Als erstes Unternehmen hat die ungarische Mol deponiert, bei dem Gasprom-Projekt mitzumachen. Andere Gesellschaften müssten noch überzeugt werden, sagte Kuprianow. Die Ungarn sind auch beim "Nabucco"-Projekt dabei, mit dem die EU die Abhängigkeit von russischem Gas verringern will. Experten bezweifeln, dass sich die Errichtung zweier fast paralleler Pipelines rechnet.

Bei der OMV will man den Gasprom-Vorstoß nicht kommentieren. Im Büro von Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer heißt es: "Wir halten Nabucco für ein realistisches Projekt, arbeiten an dessen Umsetzung und werden diese Woche auch politische Rückendeckung bekommen."Es sei denkbar, "Blue Stream"-Gas auch in die "Nabucco"-Pipeline einzuspeisen.

Nicht nur im Export will Gasprom kräftig Gas geben; der staatlich kontrollierte Konzern möchte auch bei der Direktbelieferung von Großkunden in der EU mitmischen. Den Russen wird Interesse an einem Einstieg bei der OMV nachgesagt, sollte der Großaktionär Ipic (17,6 Prozent) aus Abu Dhabi sein Aktienpaket verkaufen. Kuprianow: "Rein theoretisch interessieren uns alle Gasunternehmen. Zur OMV lässt sich momentan aber schwer etwas sagen."

Erneute Engpässe

Die jüngste Ansage der designierten ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die im Jänner unterzeichneten Gasverträge mit Russland angesichts weiterer Preiserhöhungen auszusetzen, wertet Kuprianow als "Alarmzeichen". "Wenn sich die Meinung durchsetzt, nur die große und böse Gasprom ist Schuld, wird die Ukraine weiter Gas klauen."

Sollte Kiew nicht einlenken und die Gasspeicher rasch füllen, könnte es kommenden Winter ähnliche Probleme geben wie zu Jahresbeginn, als Teile des für den Westen bestimmten Gases in der Ukraine blieben.

Damit das Land problemlos über den Winter komme, müssten die ukrainischen Speicher zu einem bestimmten Prozentsatz gefüllt sein. Davon sei man zurzeit aber noch weit entfernt. (Günther Strobl, Moskau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.6.2006)