Wien - Die Negrelli hat den Zielhafen Wien erreicht. Gut zwei Monate war das Frachtschiff im Rahmen des Kunstprojekts "Küba - eine Reise gegen den Strom" die Donau aufwärts quer durch Europa unterwegs und lud auf seinen Stationen Arbeiten lokaler Künstler an Bord. Endstation des Projekts von Francesca Habsburgs Privatstiftung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (T-B A 21) ist eine Ausstellung im Nestroyhof, die am Samstag in Anwesenheit von Kunststaatssekretär Franz Morak eröffnet wurde und bis 9. September bei freiem Eintritt zu besichtigen ist.

Das ehemalige jüdische Theater im Nestroyhof, ein renovierungsbedürftiges Haus mit ungewisser Zukunft, ist dafür ein optimaler symbolischer Ort. Die Ausstellung erzählt vor allem eine Fülle von Geschichten, Geschichten aus einer Region, die lange aus Europas Blickfeld geraten war, Geschichten von Minderheiten und Randgruppen. Die Überfülle an Material, großteils Videoarbeiten, soll auf die Komplexität des Themas verweisen, betonte Kuratorin Daniela Zyman bei der Eröffnung.

Das Herzstück

Die Installation "Küba" des türkischen Künstlers Kutlug Ataman mit 40 Videoporträts von Bewohnern der Istanbuler Barackensiedlung Küba ist das symbolische Herzstück des Projekts und Ausgangspunkt für sieben weitere Auftragsarbeiten, die im Lauf der Reise - vom bulgarischen Rousse, wo die Negrelli am 13. Mai vom Stapel lief, nachdem Hochwasser den geplanten Start im rumänischen Constantia vereitelt hatten, über Novi Sad, Vukovar, Budapest und Bratislava nach Wien - dazugestoßen sind.

Ataman gibt einen Einblick in eine Gesellschaft, die Außenstehenden sonst verschlossenen bleibt. Die sehr persönlichen Interviews laufen auf 40 alten Fernsehern, die im Bühnenraum des Nestroyhofs vor 40 Fauteuils für je einen Besucher aufgebaut sind. Schon vor dem Haus kann man in dem zu einer mobilen Videothek umfunktionierten Wohnwagen, mit dem die Österreicher Emanuel Danesch und David Rych die Reise begleitet haben, Filme zum Thema Minderheiten aus den am Projekt beteiligten Ländern anschauen.

Im Fluss, am Fluss

In der Eingangshalle erwartet den Besucher eine von Nedko Solakov in der Form von Bulgarien gestaltete Bar - hier kann man sich bedienen wie die Besatzer des Landes sich im Lauf der Geschichte immer wieder an Bulgarien bedient haben. Im Durchgangsraum zu "Küba" liegen Matei Bejenarus "Travelling Guides" mit Tipps und Informationen für illegale rumänische Flüchtlinge auf.

Unterirdisch, in den Keller-Ziegelgewölben, geht die Reise weiter, zu "Donau-Seifenopern" jugendlicher Roma aus Novi Sad, die in Workshops mit Zelimir Zilnik ihr Leben verfilmt haben, und zu Renata Poljaks Film einer Fahrt von Belgrad nach Vukovar, die als Doppel-Videoprojektion einem Ehestreit gegenüber gestellt wird. Die Ungarn Laszlo Csaki und Szabolcs Palfi analysieren in Videos das Gesellschaftssystem anhand des im Kommunismus verbotenen Windhunds, während die Slowakinnen Anneta Mona Chisa und Lucia Tkacova es in Bratislava als - fotografisch dokumentierte - lebende Pyramide inszeniert haben.

"Hier geht es um einen Raum, der uns durch Jahrhunderte kulturell bereichert hat", betonte Morak, der das Projekt im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft mit 240.000 Euro unterstützt hat. Die Auftragsarbeiten gehen in die Sammlung der T-B A 21 ein. Über die mit lokalen Künstlern und Kuratoren geknüpften neuen Netzwerke soll das Projekt in die Zukunft weiterwirken. (APA)