Brüssel/Den Haag - Die Affäre um den Transfer vertraulicher Finanzdaten an die USA wächst sich in Belgien weiter aus. Mitglieder der belgischen Regierung waren laut Brüsseler Presseberichten vom Wochenende über das systematische Ausspionieren von Konten durch die US-Regierung informiert. Finanzminister Didier Reynders und Justizministerin Laurette Onkelinx seien über die Maßnahme im Rahmen des US-Anti-Terror-Kampfes auf dem Laufenden gewesen. Reynders selbst sei im April vom Gouverneur der belgischen Nationalbank, Guy Quaden, informiert worden, der bereits seit mehreren Monaten im Bilde gewesen sei, meldeten übereinstimmend mehrere Zeitungen des Landes.

Der belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt bestreitet, von den Praktiken der USA gewusst zu haben. Die Staatsbank in Brüssel gab keine Stellungnahme ab. Laut dem niederländischen Radiosender NOS wusste auch die niederländische Zentralbank über die Spionagemaßnahmen Bescheid.

Die US-Regierung hat nach einem Bericht der "New York Times" nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 systematisch Millionen von Geldtransfers in der ganzen Welt durchforstet. Dafür verschafften sich die US-Behörden demnach Zugang zur "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication" (Swift) mit Sitz in Belgien. Dort werden jeden Tag rund elf Millionen Transaktionen registriert, die meisten grenzüberschreitend. Die niederländische Zentralbank sitzt mit im Swift-Aufsichtsrat. Swift wickelt den Finanzverkehr von etwa 7800 Geldinstituten in mehr als 200 Ländern ab.

Die belgischen Behörden haben unterdessen erste Ermittlungen eingeleitet. Justizministerin Onkelinx habe beim belgischen Geheimdienst einen Bericht über die Vorgänge angefordert, sagte eine Ministeriumssprecherin in Brüssel. Onkelinx sei nicht über die Kontenspionage informiert gewesen, bevor darüber in US-Medien berichtet worden sei. Zudem habe die Justizministerin die unabhängige Behörde zur Verarbeitung von Finanzinformationen (CTIF) mit einer rechtlichen Untersuchung beauftragt, um zu prüfen, ob das belgische Recht respektiert worden sei, teilte ihr Ministerium mit. (APA)