Das Urteil zum folgenschweren Hubschrauberunglück von Sölden – 15 Monate bedingte Haft – ist überzeugend. Der Pilot konnte nicht freigesprochen werden: Das Gesetz überträgt ihm die Verantwortung für die Folgen seines Fluges. Er hätte sich weigern können, auf der vereinbarten kürzesten Route die fahrende Seilbahn zu queren. Andererseits hat Richter Bruno Angerer Unbescholtenheit, Kooperationsbereitschaft und die Zufallskomponente (dass die Last genau auf das Tragseil fiel) als Milderungsgründe geltend gemacht, sodass Markus J. nicht ins Gefängnis muss. Dennoch bleibt Klärungs- und Handlungsbedarf. Welche Verantwortung haben Seilbahn-, Hubschrauber- und Baufirma, wenn am Gletscher in der Luft zur Erweiterung des Skizirkus Lasten transportiert werden?

Frage der Verantwortung

Es wäre unbefriedigend, wenn Antworten darauf ausbleiben würden, wenn die zum Teil extremen Bedingungen, unter denen Piloten Arbeitsflüge durchführen, nicht verbessert würden. Ist nur der Pilot verantwortlich zu machen, wenn die kürzeste, riskante Route der Kalkulation für das Angebot zugrunde gelegt wird? Ist eine Seilbahnfirma für das Wohl von Fahrgästen zuständig, zumal, wenn das Fundament für eine neue Bahn errichtet wird? „Das Verschulden anderer konnte hier nicht geklärt werden“, sagte Richter Angerer in der Urteilsbegründung und verwies damit geschickt auf die Mitverantwortung.

Beklemmend, dass das Überfliegen fahrender Seilbahnen nach diesem Unglück nicht tabu ist, dass dies angesichts von neun Toten für den Chef der Hubschrauberfirma auch weiterhin denkbar ist. Für den Piloten Markus J. nicht. Er hat mit seinem Wunsch, solche Flüge zu verbieten, „um den Druck von Piloten zu nehmen“, eine wichtige politische Anregung formuliert. (Benedikt Sauer, DER STANDARD Printausgabe, 24./25.06.2006)