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Italiens Ministerpräsident auf einer "Nein"-Kundgebung in Bologna. Prodi warnte davor, dass die Reform auch dem Premierminister zu starke Kompetenzen auf Kosten des Parlaments und des Staatschefs verleihen würde.

Foto: AP /Gianfilippo Oggioni
Italiens wahlmüde Bürger sollen am Sonntag und Montag über eine Verfassungsreform abstimmen, die noch unter Berlusconi in einem Almhütten-Privatissimum binnen dreier Tage entstanden ist.

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Ist es, wie Silvio Berlusconi versichert, eine „zukunftsorientierte Reform“, oder handelt es sich, wie Romano Prodi warnt, um ein "unzumutbares Flickwerk"? Zum dritten Mal binnenWochensollen sich die Italiener am Wochenende in die Wahlkabinen bemühen, um über die wichtigste und umstrittenste Reform der Regierung Berlusconi abzustimmen: die föderalistische Neuordnung der Verfassung.

Für beide Lager steht viel auf dem Spiel, beide entwerfen für den Fall einer Niederlage düstere Szenarien. Berlusconi versucht, die Volksabstimmung zu einem Referendum gegen die Regierung umzufunktionieren, und appelliert an seine wahlmüden Anhänger, „dem linken Haufen eine Lektion zu erteilen“.

Das Rechtsbündnis riskiert bei einer Niederlage in der Tat den Bruch – die Lega Nord droht, der Allianz den Rücken zu kehren. Für Berlusconis treuesten Partner, Umberto Bossi, könnte ein Sieg des Nein den AnfangvomEnde bedeuten. Der Kampf um die Nachfolge des kranken Parteichefs ist bereits entbrannt, die Lega wird von vehementen Grabenkämpfen geschüttelt.

Für Premier Romano Prodi hätte eine Niederlage zwar keine unmittelbaren Folgen, politisch wäre sie angesichts der hauchdünnen Mehrheit im Senat ein fatales Signal.

"Wer am Sonntag nicht mit Ja stimmt, ist kein richtiger Italiener", lautet Berlusconis Gleichung. Doch kaum ein Wähler kennt den komplizierten Text, der zur Abstimmung steht.

Vorbestrafte Reformer

Vier Abgeordnete der Rechten haben die Verfassung auf einer Almhütte bei Lorenzago in den Ampezzaner Dolomiten umgeschrieben. Bei Polenta und einem Glas Rotwein bewältigten sie in nur drei Tagen das, was Parlamentskommissionen oft versucht, aber nie geschafft hatten. Dass nur einer aus dem Quartett Verfassungsrechtler war, schien ebenso nebensächlich wie der Umstand, dass zwei aus der Runde vorbestraft waren: der Lega-Hardliner Roberto Calderoli wegen Widerstands gegen Amtspersonen und Domenico Nania von der Nationalen Allianz wegen illegalen Bauens.

Die Vereinigung italienischer Verfassungsrechtler warnt eindringlich vor dem "wirren Machwerk", das der Verfassung mit der Brechstange zu Leibe rücke und den Premier mit einer "haarsträubenden Machtfülle" ausstatte. 17 Ex-Präsidenten des Verfassungsgerichts und 179 Verfassungsrechtsprofessoren verurteilen in einem Appell die "gefährliche Reform", deren Umsetzung auf über 100 Mrd. Euro veranschlagt wird.

Die Rechte bestreitet nicht die Verbesserungswürdigkeit des Konvoluts. Nach einem Sieg der Jastimmen sei man zu Änderungen bereit. Ähnlich argumentiert die Linke: Erst müsse "der Horrorentwurf abserviert" werden, dann könne man sich über einen neuen Text einigen. Montag soll feststehen, wer den Sieg feiern darf. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25. Juni 2006)