Rom - Italiens Fußball steht vor einer Revolution. Rekordmeister Juventus Turin droht wegen der systematischen Schiedsrichter-Manipulationen seines Ex-Managers Luciano Moggi nun sogar der Zwangsabstieg in die dritte Liga, die Aberkennung der letzten beiden Meistertitel, die Flucht aller Top-Stars und der finanzielle Ruin. Im größten Fußball-Skandal in der Geschichte des italienischen Fußballs ist die Stunde der Abrechnung gekommen.

Neben Juve, AC Milan, Lazio Rom und AC Fiorentina hat der italienische Fußballverband (FIGC) 26 Klub-Funktionäre, Schieds- und Linienrichter sowie die zurückgetretenen FIGC-Präsidenten Franco Carraro und Innocenzo Mazzini wegen "Vergehen gegen die Sportlichkeit" angeklagt. Auch die italienische Staatsanwaltschaft ermittelt.

Als letzter Repräsentant des alten Systems erklärte Liga-Präsident Adriano Galliani, der Vizepräsient des AC Milan, seinen Rücktritt. Auch gegen ihn hat FIGC-Chefankläger Stefano Palazzi Anklage erhoben. Galliani, der aber wohl genauso wenig zu befürchten wie sein Klub. Im am Mittwoch beginnenden Verfahren im römischen Olympiastadion dürfte Milan mit einem blauen Auge davon kommen, weil man dem Klub keine direkte Manipulation von Meisterschaftsspielen in der Saison 2004/2005 nachweisen kann.

Anders bei Juve: "Juve hat nicht nur ein oder zwei Vergehen begangen, sondern gleich eine Vielzahl", formulierte Palazzi in seiner Anklage. Kopf der Mafia ähnlichen Vereinigung sei Juve-Manager Moggi gewesen. Zu seinen engsten Komplizen sollen der für die WM in Deutschland zurückgezogene Star-Schiedsrichter Massimo De Santis sowie die Schiedsrichter-Koordinatoren Paolo Bergamo und Pierluigi Pairetto gehört haben. "Big Luciano" habe ihnen den Befehl gegeben, welche Schiedsrichter die Juve-Partien pfeifen sollten und die vermeintlich "Unparteiischen" hätten dann die Schiedsrichterauslosungen entsprechend manipuliert.

De Santis und anderen will die Anklage nachweisen können, dass sie durch die gezielte Verteilung von Gelben Karten Juve-Gegner bewusst für ihre nächste Partie gegen die Turiner geschwächt hätten. So räumte "Vorstopper" Moggi schon im Vorfeld die gefährlichsten Gegenspieler ab. Moggis Verteidiger erklärte bereits, dass sein Mandant nicht von der Sportjustiz verurteilt werden könne, da er nicht mehr Teil des Fußballverbandes sei.

Der Rekordmeister hat Moggi und den ebenfalls angeklagten Geschäftsführer Antonio Giraudo längst gefeuert. Der gesamte Vorstand trat zurück. Mit neuer Führung versucht Juve zumindest den ruinösen Abstieg in die Drittklassigkeit zu verhindern. Für den Fall eines Zwangsabstiegs in die Serie C, hat Juve eine juristische Gegenwehr mit allen Mitteln angekündigt. "Wir halten alle Fristen ein", hatte der kommissarische FIGC-Präsident Guido Rossi am Rande des 2:0-Sieges gegen Tschechien bei der WM der UEFA versichert.

Der Prozess soll in erster Instanz bis zum 9. und die Berufungsinstanz bis 20. Juli abgeschlossen sein. Danach werde Italien seine Europacup-Teilnehmer melden. Fährt Juve aber großes juristisches Geschütz auf, droht ein Prozess-Marathon, ein verspäteter Liga-Start und ein Europacup ohne italienische Clubs.

Neben Juve müssen auch Lazio und Florenz den Zwangsabstieg befürchten. Beide sollen vom "System Moggi" profitiert haben. Bei der Rettung des damals abstiegsbedrohten Lazio soll Moggi mit seinen Schiedsrichter-Manipulationen besonders kräftig unter die Arme gegriffen haben. Dabei sollen sogar die Fußballverbandschefs Carraro und Mazzini mitgemischt haben. Aufatmen konnte hingegen Sampdoria Genua. Die Anklage stellte alle Ermittlungen gegen den Klub ein. (APA/dpa)