Weit auseinander: Grünen-Chef Alexander Van der Bellen und Ministerin Liese Prokop.

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Heftige Zwischenrufe prägten die Nationalratssitzung am Donnerstag, als die Grünen sagten, sie nähmen Peter Westenthaler ernst mit seinem "Programm der etnischen Säuberung". Emotionen kochten auch um die Bawag hoch.

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Wien - "Nur zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Es handelt sich hier um achtjährige Kinder", leitete der Grünen-Klubobmann Alexander Van der Bellen seine Beschreibung der Abholung eines tscheschenischen Buben durch bewaffnete Polizisten aus der Schule an, um ihn in Schubhaft zu nehmen. Und dann die Familiengeschichte in voller Länge für das Hohe Haus: Vater verschleppt, Mutter mit den Kindern nach Österreich geflohen - "das traumatisierte Kind hat eine Chance, integriert aufzuwachsen. Und dann das: Uniformierte Polizisten holen es aus der Schule ab. Sind Sie damit einverstanden, Frau Bundesminister?"

Die in der Dringlichen Anfrage angesprochene Innenministerin Liese Prokop berief sich auf "klare gesetzliche Vorgaben" bei der Abschiebung von illegal in Österreich befindlichen Personen. Man sei bemüht, Abschiebungen "so rasch wie möglich"durchzuführen - aber Kinder würden grundsätzlich nicht in Schubhaft genommen.

Im Fall des achtjährigen Kindes sei es so gewesen, dass "die Maßnahme zum Wohl des Kindes gesetzt wurde": Weil es sonst unversorgt gewesen wäre, als die Mutter am Vormittag in Schubhaft genommen wurde, habe es von der Polizei abgeholt werden müssen. Danach seien gegen Mutter und Kind "geringere Maßnahmen"als die Schubhaft gesetzt worden.

Van der Bellen kritisierte auch, dass sich die ÖVP immer als die Familienpartei darstelle, während in der Realität gemischtnationale Ehen auseinandergerissen werden. Das Innenministerium habe etwa im Falle einer hier verheirateten, aber abgeschobenen Chinesin erklärt, dass hier "eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit"gegeben wäre - "das ist Familienpolitik?"

Prokop verwies auch da auf die Rechtslage: Im Land könne nur bleiben, wer legal eingereist und legal im Land gewesen sei, was nach der Rücknahme des Asylantrags der Chinesin nicht mehr der Fall gewesen sei. Grünen-Menschenrechtssprecherin Terezia Stoisits äußerte die Vermutung, dass sich die Ministerin selber nicht mit der Gesetzeslage wohl fühle - dann habe sie aber die Chance verpasst, klare Worte zu finden.

Die ÖVP warf den Grünen für ihre Darstellung der Problematik "Aufwiegelung"vor und nannte auch die Vorwürfe der Grünen gegen Prokops Studie über die Integration von Muslimen skandalös: "Wer die Nichtintegration negiert, trägt dazu bei, dass es einen Nährboden für Auseinandersetzungen gibt", sagte VP-Abgeordneter Michael Spindelegger. Der Grünen-Abgeordnete Karl Öllinger rief daraufhin "primitive Demagogie"- und kassierte einen Zwischenruf.

"Nazi-Dikition"

FPÖ-Abgeordnete Helene Partik-Pablé warf den Grünen vor, die Tatsachen verzerrt wiederzugeben und in Nazi-Diktion zu verfallen. Und: "20 Millionen Menschen sind auf der Flucht, wollen sich eine neue Existenz aufbauen - wir können nicht alle aufnehmen."

Aneinandergeraten waren die Abgeordneten auch schon zu Beginn der Sitzung, als in der Fragestunde die Bawag angesprochen wurde. Finanzminister Karl-Heinz Grasser höhnte in Richtung SPÖ, wenn er jahrelang neben dem ÖGB-Präsidenten im Plenum gesessen wäre, würde er wohl auch jede erdenkliche Theorie erfinden, wer denn sonst schuld gewesen sein könnte. Daraufhin platzte SP-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures der Kragen. Sie sagte, wenn sie jahrelang auf dem Schoß von Jörg Haider gesessen wäre, würde sie den Mund nicht so vollnehmen.

Dieser Schlagabtausch führte am Nachmittag zu einer Ermahnung durch Nationalratspräsident Andreas Khol, "die im Hause üblichen Mindeststandards"einzuhalten und "insbesondere solche Zwischenrufe zu unterlassen, die als sexistisch ausgelegt werden können."So ergebe ein übles Bild - "wir schießen uns ins Knie, meine Damen und Herren". (DER STANDARD, Printausgabe, 23. Juni 2006)