Der Physiker und Träger des Wittgensteinpreises 2006 Hannes-Jörg Schmiedmayer.

"Freiheit" stellt Hannes-Jörg Schmiedmayer auf die Spitze der Wertepyramide für die Forschung. Und zwar sowohl im theoretischen Großen als auch im praktischen Kleinen. Freiheit für Wissenschaft allgemein und Freiheit für seine Arbeit speziell. "So viel kann man mir gar nicht zahlen, damit ich mir von irgendjemandem anschaffen lasse, was und wie ich zu forschen habe", konstatiert der 45-jährige Experimentalphysiker.

Schmiedmayer, der auf dem Gebiet der Quantenphysik zu den weltweit renommiertesten Forschern zählt, wird im Herbst mit dem österreichischen Wittgenstein-Preis ausgezeichnet - der mit 1,5 Millionen Euro am höchsten dotierten und wichtigsten Wissenschaftsauszeichnung, die die Republik vergibt. Und er kommt im Herbst wieder nach Wien zurück, in seine Heimat. Wieso?

"Wo sollte ich denn sonst hin wollen?" In seiner Disziplin, der Quantenphysik, seien die "Besten der Besten" in Österreich zu Hause. Die Quantenphysik in Innsbruck und Wien sei weltweit führend, "die 20 internationalen Top-Forschungsinstitutionen würden alles Geld der Welt zahlen, um Kapazitäten aus den Gruppen um Rudolf Grimm, Peter Zoller und Anton Zeilinger zu bekommen". In Österreich sitze die kritische Masse.

Dazu komme, dass die Technische Universität Wien gemeinsam mit der Stadt Wien und dem Unternehmen Siemens die notwendigen räumlichen und technischen Voraussetzungen schafften, dass er seine Arbeit am Atominstitut der österreichischen Universitäten an der TU aufnehmen könne. Und worin besteht Schmiedmayers Arbeit?

"In der Miniaturisierung von Atom- und Quantenphysik": Die Mikroelektronik, im Speziellen die Halbleiterphysik, habe das Leben der Menschheit im 20. Jahrhundert revolutioniert. "Dass Sie heute mit Laptop und Handy spazieren gehen können, verdanken Sie der Verkleinerung von elektrotechnischen Bausteinen auf die Größe von Mikrochips", veranschaulicht der Wissenschafter. Für die wundersame Welt der Quanten gebe es das aber nicht - noch nicht.

"Meine Gruppe arbeitet derzeit daran, die bisherigen Experimente aus der Quantenphysik und auch aus der Atomphysik derart robust zu machen, dass man auch sie miniaturisieren und auf einen mobilen Mikrochip verfrachten kann." Auf einem solchen "Atom-Chip" sollen dann Atome und Photonen (Lichtteilchen) quasi gefangen, ihre Quantenzustände manipuliert und gemessen werden.

Brücken zwischen den Welten

Derart soll in verschiedenen Quantenwelten gleichzeitig geforscht werden, und es sollen Brücken zwischen diesen Welten geschlagen werden können. "Grundlagenforschung eben", erklärt Schmiedmayer, der derzeit noch am Physikalischen Institut der deutschen Universität Heidelberg arbeitet.

Sein Weg zu dieser weltbekannten Uni begann bereits im Kindesalter: "Naturwissenschaften waren für mich alles. Ich wollte ergründen, wissen, warum Schneeflocken so aussehen, wie sie aussehen, wollte verstehen. Und die Physik ist die Mutter aller Naturwissenschaften für das Verständnis der Welt."

Dem Studium der Physik und Astronomie an der TU, das sich der Wiener als Skilehrer verdiente, folgte die Habilitation in Experimentalphysik. Es folgten Arbeiten am internationalen Kernforschungszentrum Cern in Genf, an der Harvard University, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, an der Universität Peking und schließlich in Heidelberg - und ab Herbst eben in Wien.

Neben Skifahren, Laufen und Theaterbesuchen mit seiner Lebensgefährtin findet Schmiedmayer Ausgleich in "langen, ausgefallenen und abenteuerlichen Reisen mit Freunden" - etwa in den brasilianischen Dschungel oder nach Zentralasien. (fei/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. Juni 2006)