Ghana nach dem Sieg über Co-Faoriten Tschechien.

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Der Arbeitsalltag hat Claude Le Roy gelehrt, die Dinge aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Dennoch war dem 57-jährigen Franzosen die Freude über die Vorstellung "seiner" Afrikaner gegen Tschechien anzusehen. Der Teamtrainer der Demokratischen Republik Kongo, in Deutschland für den TV-Sender Canal+ unterwegs, hat es kommen sehen, "weil bisher ja nur das Glück gefehlt hat".

Le Roy, der Kamerun 1986 ins Endspiel und 1988 zum zweiten von vier Titelgewinnen beim Afrika-Cup geführt hat, kennt die Probleme vor allem der Schwarzafrikaner bei Weltmeisterschaften aus eigener Erfahrung. 1998 war für ihn und Kamerun nach der Vorrunde (u. a. nach einem 1:1 gegen Österreich) in Frankreich Schluss. Le Roy hatte die Mannschaft damals erst drei Monate vor der WM übernommen. Die Vorbereitung musste völlig improvisiert werden, "und auch jetzt noch ist die Vorbereitung auf ein Turnier das größte Problem". Die Verbände seien nach wie vor mit korrupten, inkompetenten Funktionären durchsetzt, das wenige Geld, das zur Verfügung steht, versickere. Die Politik mische sich ein, ohne Voraussetzungen für den Erfolg zu schaffen.

Andere Probleme zu lösen

Infrastrukturelle Probleme führt auch Otto Pfister, gerade noch Trainer von Togo, ins Treffen. Mit den Möglichkeiten, die europäische Verbände bei medizinischer Betreuung und Ausbildung haben, so der 68-jährige Deutsche, sei ein afrikanischer Weltmeister nur eine Frage der Zeit. "Aber die Menschen haben in vielen dieser Ländern ja ganz andere Probleme zu lösen."

Vorgänge wie das so genannte Togowabohu um Pfisters Team bei dieser WM, hat Kollege Le Roy auch in Kamerun, im Senegal und jetzt im Kongo erlebt. Über die Klasse und Einsatzbereitschaft der Spieler lässt er aber nichts kommen. "Dass sie taktisch unreif seien oder zu verspielt, ist völliger Unsinn. Wenn man ihnen das richtige Umfeld bietet, gibt es viele Mannschaften, die in die absolute Weltspitze vorstoßen können."

Das glaubt auch Jochen Zeitz (43), weshalb der Vorstandsvorsitzende von Puma auch in Hinblick auf die Vergabe der WM 2010 an Südafrika unverdrossen auf die Afrikaner setzt. Alle fünf WM-Teilnehmer des Kontinents werden vom Unternehmen ausgerüstet, dessen Wappentier, Puma concolor, eigentlich nur in Amerika beheimatet ist. Die Attribute des afrikanischen Fußballs passen laut Zeitz dennoch gut zur Marke. "Begeisterung, Leidenschaft und Lebenslust. Und das Verständnis, dass es nicht nur darum geht, der Erste zu sein."

Punkte, Argumente

Yaw Osafo-Maafo, Sportminister von Ghana und wie Staatspräsident John Agyekum Kufuor Augenzeuge des Siegs der "Black Stars"in Köln, stimmt Zeitz zu. "Diese Einstellung soll man den Spielern nicht nehmen. Die Fans wollen keinen rein erfolgsorientierten Fußball sehen."

Der Erfolg, so sagt Anthony Baffoe (41), Teammanager der Mannschaft von Ghana und damit Bindeglied zwischen den Spielern und dem Verband, sei aber auch wichtig. "Afrika will bei der nächsten WM sechs Teilnehmer, dafür brauchen wir auch Punkte als Argumente. Das Achtelfinale wäre der nächste Schritt."

Der ehemalige Bundesliga-Profi (Köln, Fortuna Düsseldorf), der als Sohn ghanaischer Eltern in Bonn geboren wurde, ist erst seit drei Monaten im Amt, "aber so viel, wie in dieser Zeit, habe ich noch nie gearbeitet". Ghana hat sich u. a. am Millstätter See vorbereitet, und Baffoe ließ keinen Tag vergehen, ohne den Spielern sein Credo nahe zu bringen. "Viele kommen aus europäischen Topklubs. Den Professionalismus, den sie dort leben müssen, müssen sie auch mitbringen."Das scheint gelungen, weshalb sich der Serbe Ratomir Dujkoviæ (60), Trainer der Ghanaer, vom Erfolg gegen Tschechien nicht überrascht zeigte. "Überrascht war ich nur, dass sie nicht höher gewonnen haben." (DER STANDARD Printausgabe 19.06.2006)