Kardinal Tarcisio Bertone soll in den kommenden Wochen zum neuen Staatssekretär des Vatikan ernannt werden. Nach Meldungen italienischer Medien soll der Papst die Ernennungsurkunde für den Erzbischof von Genua bereits unterzeichnet haben. Die offizielle Kundmachung könnte am Peter-und-Paul-Tag (29. Juni) erfolgen, der in Rom Feiertag ist. Der 71-jährige Piemontese würde damit Nachfolger des fast 80-jährigen Staatsskretärs Angelo Sodano, der das wichtigste Amt des Kirchenstaates 15 Jahre lang leitete.

Tarcisio Bertone gilt als enger Vertrauter Benedikts XVI. und arbeitete sieben Jahre als Sekretär Joseph Ratzingers in der Glaubenskongregation. Seine Ernennung zum Staatssekretär wollte Bertone nicht bestätigen. "Meine Zukunft liegt in der Hand Gottes und in jener des Papstes", antwortete der Erzbischof auf entsprechende Fragen. Als Kichenrechtler verfügt der ehemalige Rektor der Salesianer-Hochschule in Rom über keine diplomatische Erfahrung. Wie die Tageszeitung La Stampaberichtet, sollen mehrere Kurienkardinäle den Papst vergeblich gedrängt haben, sich für einen erfahrenen Diplomaten wie den Erzbischof von Wilnius, Audrys Backis, oder den italienischen Kardinal Giovanni Lajolo als Staatssekretär zu entscheiden.

Neben Angelo Sodano wird ein weiteres bekanntes Gesicht den Vatikan demnächst verlassen: Pressesprecher Joaquin Navarro Valls. Der 69-jährige Psychiater aus Cartagena ist der einzige Laie, der ein Spitzenamt des Vatikans besetzt. Der Spanier war von Johannes Paul II. vor 22 Jahren zum Leiter des päpstlichen Presseamtes ernannt worden. Der ehemalige Opus-Dei-Sprecher galt als einer der engsten Mitarbeiter Karol Wojtylas, den er auf allen Reisen begleitete. Weltweit bekannt wurde Joaquin Navarro Valls während der Erkrankung des Papstes durch die Verlesung der täglichen ärztlichen Bulletins. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2006)