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Foto: APA/AP/Ted S. Warren
Wenige Menschen haben unseren digitalen Alltag so stark geprägt wie Bill Gates, der jetzt seinen Rückzug aus dem Tagesgeschäft von Microsoft ankündigte. "Chairman" ist in US-Firmen meist die Übersetzung von "Frühstücksdirektor", auch wenn Gates als größter Aktionär und aufgrund seiner Geschichte und Präsenz weiterhin sehr einflussreich sein wird.

Zwischen Bewunderung und "Wurscht"

Gleich, ob man Gates bewundert (was Legionen von Entwicklern tun) oder für Microsofts Schwächen geißelt (oder ob er einem, wienerisch gesagt, "wurscht" ist), "ein PC auf jedem Schreibtisch und in jeder Wohnung" wäre ohne das Geschäftsmodell von Microsoft nicht in diesem Tempo passiert. Dieses hat zwei wesentliche Komponenten: Erstens lizenzierte Microsoft seine Betriebssysteme an jeden beliebigen Hersteller (ein Missgeschick von IBM, die Microsoft den Auftrag zur Entwicklung des ersten PC-Betriebssystems gab und sich keine Exklusivität sicherten). Dadurch stürzten sich eine Unzahl von Herstellern auf die PC-Produktion, was in Summe mehr Marktmacht und schnellere Marktdurchdringung brachte als das Apple-Modell, bei dem Hard- und Softwareentwicklung in einer Hand blieb.

Tempo war wichtiger

Zweitens war Tempo wichtiger als Fehlerfreiheit, ein Sündenfall der gesamten IT-Branche, an dem sich viele Benutzer willig beteiligten. Denn offenbar war der Nutzen (oder der Spaß, oder beides) auch fehlerhafter Produkte größer als das Warten auf Perfektion - es dauerte zwei Jahrzehnte, bis vom ersten IBM-PC mit Windows 2000 endlich ein stabiles Betriebssystem auf den Markt kam. Sicherheitsprobleme eines nicht für die Internet-Ära gemachten Betriebssystems plagen uns weiterhin.

Demokratisierung der Werkzeuge

Egal: Ohne der zentralen Stellung von Gates und Microsoft, die sich auch im entsprechenden Unternehmenswert und privatem Reichtum spiegelt, hätten wir nicht eine solch rasche Demokratisierung der Werkzeuge der Informationsgesellschaft erlebt. Ob bewusst oder intuitiv, Gates verlässt die Bühne zu einem Zeitpunkt, da die Ära Microsoft dem Ende zugeht. Gemeint ist nicht, dass der Riese bedeutungslos wird, Windows sein De-facto-Monopol als PC-Betriebssystem verliert, oder Office aus unseren Büros verschwinden wird. Aber diese digitalen Eckpfeiler des vergangenen Vierteljahrhunderts werden durch die neue Architektur des Internets weniger tragend.

Immer mehr online

Immer größere Teile unserer Arbeit und unseres Lebens finden online statt: Ein PC ohne Internetzugang wird immer nutzloser, weil Informationen, Geschäft, Erinnerungen, Freunde online sind. Dementsprechend wächst die Bedeutung von Internetunternehmen, allen voran Google, und sinkt die Bedeutung von PCs, die bald wenig mehr als "Endgeräte" zur Onlinewelt sein werden.

Nicht weit weg

Das klingt, als ob es weit weg wäre - aber nicht weiter weg als das belächelte "ein PC auf jedem Schreibtisch". Wenn man sich den Altersunterschied zwischen Gates Erben und den Google-Boys anschaut, kann man es beziffern: etwa 20 Jahre. Und Gates? Es ehrt den Mann und seine Frau, dass sie sich im besten Alter einer viel größeren Herausforderung stellen: den riesigen Problemen Afrikas.(Helmut Spudich/DER STANDARD, Printausgabe)