Comeback des Highrisers: Das Felt Torch.

foto: felt

Man kann ja durchaus schon beim Aufsteigen angekommen sein, aber trotzdem noch losfahren in eine Welt wohliger Irrationalität und schweißtreibender Schönheit. Wir befinden uns also auf einer Straße, die gepflastert ist mit Kindheitserinnerungen, schauerlich schrägem Design, Chrom, aufrechter Sitzposition, aber nicht mit den Weisheiten der Fahrrad-Kaufberatung aus der letzten Rubrik.

Wer einen Cruiser kauft, ist sowieso schon verloren für die Gäule der Vernünftigen. Er ist vielleicht verloren, seit er den Highriser seiner Kindheit bestiegen hat. Diese Highriser gibt’s noch immer, wenn man sie sucht, sie kommen uns auf Flohmärkten entgegen und bei Entrümpelungen, aber sie haben einen Nachteil: Sie sind nicht mit uns mitgewachsen.

Wer heute auf einen Highriser steigt, wird vermutlich mit den Füßen voran von nichts Ahnenden vom Radweg getragen.

Zum Glück hat die Radindustrie geistesgegenwärtig schon nach wenige Jahrzehnten reagiert und Cruiser aufgelegt, die quasi als Motorräder ohne Motor durchgehen: Amerikanisches Design, Retro-Elemente, viel Fläche für meditatives Polieren, breite Lenker und eine Sitzposition, die dem Wind die Brust bietet.

Was den Cruiser ausmacht, ist flink erklärt:

1. Sieht bequem aus, ist es aber nicht. Natürlich schmeicheln breite Sättel unseren Hintern, und bei der aufrechten Sitzposition glauben wir, dem Kreuz beim Aufatmen zuhören zu können, und auf kurzen Strecken haben alle Körperteile Recht. Auf langen Strecken merkt man dann doch, dass der Gegenwind am aufrechten Oberkörper besser einhakt als am Gebückten, und dass der Hintern so alles Gewicht abfangen muss, weil ihm keine Arme zu Hilfe kommen.

2. Er ist für die Ebene gebaut, was er durch sein Gewicht verrät: Mit Leichtbau hält sich hier niemand auf, viele Teile sind bisweilen erschreckend grob gearbeitet und aus vollem Stahl, wo sogar schon Supermarkt-Trekkingbikes Alu tragen. Guter Indikator dafür: die Tretkurbeln.

3. Die Übersetzungen, immerhin, reichen auch meist auf milden Steigungen noch aus, aber es gibt Ausnahmen: Das Kona Humuhumu-Nukunuku-Apua’a, beispielsweise, kommt als Single Speed, Schalten somit unmöglich.

4. Die Lenker sind hoch und breit, best of show also. Man muss halt in Kurven aufpassen, dass man sich nicht mit den Knien den Lenker aus der Hand schlägt. Also vorher auf einsamen Feldwegen üben!

5. Dafür sind die Bremsen meist von heute und absolut zeitgemäß in ihrer Wirkung, sonst müsste man den Eissalon vielleicht gar schon vor dem Schuhgeschäft anbremsen, um rechtzeitig stehenzubleiben, und wie schaut denn das aus?

Wenn wir diese kleinlichen Einwände hinter uns haben, ist der Blick frei für das wahre Wesen der Cruiser: Chrom! Benzintank-Imitate! Lederfransen! Scheinwerferbatterien! Wheelie! (Pflaster nicht vergessen!). (Dietrich P. Dahl, derStandard.at, 21.6.2006)