Zürich/Frankfurt/Berlin - Das jüngste Gipfeltreffen der Europäischen Union ist am Samstag Gegenstand von Analysen und Kommentaren der internationalen Presse:

"Neue Zürcher Zeitung" :

"Ein Jahr nach dem Nein des französischen und des niederländischen Stimmvolks zur EU-Verfassung sind die Staats- und Regierungschefs noch immer ratlos. Ihre selbst verordnete einjährige Reflexionsphase hat nichts zur Klärung des Schicksals diese Projekts gebracht. (...) So gesehen wäre eine kleine Vertragsänderung, fokussiert auf die institutionellen Aspekte, ein erster konstruktiver Schritt. Er schlösse einen zweiten Schritt, die Realisierung der Ambition 'Verfassung', nicht aus. Doch die Maximalisten wollen ihr Projekt nicht auf dem Altar des pragmatischen Vorgehens opfern. Sie befürchten, das mühsam auf den Weg gebrachte Verfassungsprojekt würde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Aber gestritten wurde am EU-Gipfel nicht. Es herrschte beredtes Schweigen."

"Tages-Anzeiger":

"Die Ratlosigkeit beschränkt sich nicht auf Differenzen bei der EU-Verfassung. Wie stark die Regierungschefs selbst an der EU zweifeln, zeigt sich etwa darin, wie sie bei jeder Gelegenheit versprechen, die gescholtene Brüsseler Bürokratie zurückzustutzen. Dass immer mehr Bürger den Sinn dieser Institutionen hinterfragen, wenn Politiker sich mit euroskeptischen Reden übertrumpfen, kann nicht verwundern. Auf die arrogante Selbstsicherheit der früheren Jahre, als sich die großen Europäer um die Einwände der Menschen 'foutiert' (nicht gekümmert) hatten, ist eine lähmende Mutlosigkeit gefolgt, weil die Regierenden den Widerstand ihrer Bürger fürchten. Immer häufiger werden aus opportunistischen Gründen Errungenschaften wie der Euro oder die Osterweiterung kritisiert.(...) Sich mit institutionellen Tricks an einem zweiten Verfassungsreferendum vorbeizuschummeln, mag vielleicht einfacher erscheinen, könnte sich aber umso folgenschwerer rächen..."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":

"Ein neuer Anlauf in der Diskussion über das Verfassungsprojekt soll im ersten Halbjahr 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft unternommen werden. Im gleichen Zeitraum werden in Frankreich und den Niederlanden, den beiden Ländern, in denen die Bürger bei Volksabstimmungen gegen den Verfassungsvertrag stimmten, Wahlen stattfinden. Deutschland wurde schon jetzt beauftragt, in einem Jahr einen Bericht über den 'Diskussionsstand' zum Verfassungsvertrag in den Mitgliedstaaten und über mögliche künftige Entwicklungen vorzulegen. (...) Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso wertete die Ergebnisse als Beleg für einen 'Reifungsprozess' in der Debatte über den Verfassungsvertrag. Die Anhänger des Vertrags hätten erkannt, dass der Text nicht ohne Änderungen in Kraft treten könne und daher zumindest gewisser Ergänzungen bedürfe. Andererseits habe kein EU-Partner das Projekt für tot erklärt. Es bestehe im Kreise der Regierungen Einvernehmen, dass die erweiterte EU institutionelle Reformen benötige, um handlungsfähig zu bleiben."

"die tageszeitung" :

"Von der deutschen Ratspräsidentschaft 2007 werden keine Wunder mehr erwartet. (...) Kein Wort findet sich in den Schlussfolgerungen dazu, wie das Dilemma gelöst werden soll, dass sich in der Union zunehmend zwei Gruppen von Staaten gegenüberstehen: diejenigen, die der ursprünglichen Version der Verfassung zugestimmt haben, und diejenigen, die eine veränderte Fassung brauchen, weil sie den Wählern nicht zwei Mal denselben Text zur Abstimmung vorlegen können. Andere heikle Themen blieben ebenfalls ausgespart. Beim Thema Erweiterung wurde um eine Formulierung gerungen, die der steigenden Erweiterungsmüdigkeit in der Bevölkerung Rechnung tragen sollte, ohne Hoffnungen auf eine Beitrittsperspektive bei den Balkanländern, der Türkei oder der Ukraine endgültig zunichte zu machen." (APA/dpa)