Wenn Politiker zu Werbestars werden: Nicht nur McDonald's, auch der Autovermieter Sixt und der Bierkonzern Schwechater warben schon mit Konterfeis von Parteichefs. In der Pressewerbung haben Politiker Tradition.

Wolfgang Schüssel wirbt für McDonald's, die SPÖ ortet eine "Bic-Mac-Affäre", Kanzlerpartei und Webeagentur freuen sich über noch mehr Aufmerksamkeit. Immer öfter gehen Politik und Werbung eine Symbiose ein - meist zu beiderseitigem Nutzen.

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Wien - In den minimalistisch gestalteten Räumen der Werbeagentur CCP Heye wurde die Causa als Geheimaktion mit dem Codeword "Topf"vorbereitet. Dass Wolfgang Schüssel der Star der Fußball-Weltmeister-Kampagne einer Fastfood-Kette werden sollte, wusste nur der engste Kreis der Kreativen. Selbst der Kunde McDonald's erfuhr es erst ganz zuletzt - und glaubte zuerst an einen Scherz.

Seit wenigen Tagen hängen die Plakate mit der Fotomontage, die einen rot-weiß-rot bemalten Schüssel samt Fanschal mit dem Kernslogan der Kampagne, "Österreich isst Weltmeister", zeigen. Es ist nicht das erste Mal, dass Werbung und Politik kurzfristig eine Symbiose eingehen. Weil das System Politik sich in vielem jenem der Werbung gleicht - in beiden geht es um Aufmerksamkeit, Positionierung und Imagepolitur -, zerfließen die Grenzen zwischen politischen und wirtschaftlichen Marken.

"Prominente Fußballfans"

"Wir haben ganz einfach nach prominenten Fußballfans gesucht. Das Kriterium war nicht der Politiker, sondern der Mensch Schüssel", meint CCP-Geschäftsführer Peter Cerny.

Um den "Menschen Schüssel"geht es in Vorwahlkampfzeiten aber immer auch den schwarzen Wahlkampfstrategen. Im Nationalratswahlkampf 2002 tauchten Plakate mit Schüssel beim Cellospielen auf, kürzlich veröffentlichte die ÖVP ein Gartenbuch, das die schwarze Prominenz beim Unkrautjäten zeigte, bereitwillig posierte Schüssel jüngst als Kicker - da kommt ein McDonald's Plakat gerade recht. Schleichwerbung für Schüssel? "Möglicherweise schon", meint Cerny leichthin, "aber wenn Gusenbauer Fußballspielen könnte, wäre er ja auch dabei. Ich habe das unpolitisch gesehen."

"Big-Mac-Affäre"

Die SPÖ sieht das anders. Kommunikationschef Josef Kalina vermutet eine "Big-Mac-Affäre"- schließlich sei das nicht die erste Fusion zwischen Burger und schwarzer Politik. Auch Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (VP) sei von McDonald's gesponsert worden. "Alles doch ein bisschen unappetitlich", meint Kalina.

In der PR-Szene hält man die Aktion der Fastfood-Kette jedenfalls für einen gelungenen Schachzug. "Als Konsumentin würde mir das gefallen", meint Trimedia-Chefin Sigrid Krupica, "ein Überraschungseffekt, der geglückt ist."PR-Experte Dietmar Ecker meint, die Aktion sei nicht nur für McDonald's "sehr gut verlaufen, auch für den Bundeskanzler". Denn: "Schüssel wehrt sich nicht."

Im Gegenteil: Das Kanzleramt, sonst recht heikel bei privaten Dingen, protestierte nur halbherzig und gab sich mit einer Pönale in fünfstelliger Höhe an eine karitative Organisation zufrieden. Bei CCP hatte man mit einer Straf-Spende ohnehin von Anfang an gerechnet. Die anderen Proponenten der Kampagen, etwa die Sportler Andreas Goldberger und Andreas Herzog, kassierten ein ganz normales Honorar. "Unser Kalkül ist aufgegangen", meint Cerny.

Alles kein Zufall, ist man in der SPÖ überzeugt. "Eine abgekartete Sache", meint Parteisprecher Josef Kalina. Beweise blieb er bislang schuldig. Ob Schüssel von der Kampagne und ihrer Wirkung gewusst hat? "Wenn ja, dann besteht Unvereinbarkeit - aber das ist rein spekulativ", sagt Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Im Gegensatz zu PR-Berater Ecker glaubt er, dass die Kampagne dem Kanzler "weder schadet noch nützt".

Unfreiwillige Plakatpräsenz eher die Ausnahme

Dass Politiker gegen unfreiwillige Plakatpräsenz vorgehen, ist eher die Ausnahme. Meist geben sie sich mit einer symbolischen Wiedergutmachung oder einer Spende zufrieden. Als der deutsche Autovermieter Sixt im Jahr 2001 etwa mit einer Fotomontage von Angela Merkels Sturmfrisur für seine Cabrios warb ("Lust auf eine neue Frisur? Mieten Sie sich ein Cabrio."), bat die CDU-Vorsitzende, deren Haartracht zu diesem Zeitpunkt noch mediales Dauerthema war, strategisch nicht ungeschickt, um eine Probefahrt.

Produktwerbung für Politiker ist dennoch selten - und in den Augen des Politikberaters Ecker auch bedenklich. Er zieht den Vergleich zum italienischen Fußball-Schiedsrichter Pierluigi Collina. Dieser hatte seine Karriere beendet, weil sein Sponsor Opel auch jener des AC Milan war und seine Überparteilichkeit hinterfragt wurde. Ein Interessenskonflikt ergäbe sich auch bei Schüssel, denn "die Politik schafft die Rahmenbedingungen für Unternehmen".

In Österreich warb die Bierfirma Schwechater im Wahljahr 1994 schon einmal mit Spitzenrepräsentanten und dem Slogan "Recht hat er". Betreuende Agentur: CCP. Ein Werbeschmäh ist eben auch nicht immer taufrisch.

Teurer Heiligenschein

Die Werbung von Medien mit Politikern ist dagegen üblich. Zum Beispiel bei der jüngsten Kampagne der Kronen Zeitung, die nicht nur Kanzler Schüssel, sondern auch SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer Präsenz verschaffte.

Das passiere meist ungefragt, bestätigt PR-Chef Mariusz Jan Demner, von dessen Agentur die Politiker-Werbungen für Newsstammen. In Erinnerung ist Demner auch noch ein Heiligenschein-Plakat des damaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim, das überklebt werden musste. Auslöser war ein Paragraph, "der die 'Verspottung'des Bundespräsidenten strafrechtlich verfolgt - andere Politiker genießen dieses Privileg nicht.""Wir machen es ganz einfach: Wir fragen nicht", gesteht Michael Kapfer-Giuliani von Lowe GGK, die die sehr politikerlastigen Kampagnen von trend, profilund der Kronen Zeitungbetreuen. "Hätten wir gefragt, hätten wir wahrscheinlich immer eine Absage bekommen."Solange die Betroffenen nicht herabwürdigend dargestellt würden, sei das beim Trommeln für ein politisches Magazin kein Problem.

Auf Klagen verzichten die Politiker heute trotzdem fast immer, um negative Schlagzeilen zu vermeiden. "Bei Medien ist Werbung mit Politikern ungleich logischer", meint auch Politologe Filzmaier. Demner kommentiert das so: "Wenn Zeitungen das machen, ist der Politiker Teil des Produktes. Dass der Herr Bundeskanzler Teil vom Faschierten bei McDonald's ist, wage ich zu bezweifeln."

Bei CCP ist man über die Breitenwirksamkeit des jüngsten Werbeproduktes hocherfreut. Cerny hat mit McDonald's um zwei Flaschen Champagner gewettet, dass die Aktion gelingt - sie sind bereits gekühlt. Ob im Kanzleramt ebenfalls auf die Gratis-Wahlwerbung champagnisiert wird, ist nicht bekannt. (DER STANDARD, Printausgabe 17./18.6.2006)