New York/Oakland - Ein Scharfschützen-Team liegt auf der Lauer, es fallen Schüsse, und der US-Präsident bricht tot zusammen. Mit diesem Horrorszenario beginnt die wohl bekannteste Rap-Nummer, die auf George Bush "zielt" - "Bush Killa" von Paris. Doch der in San Francisco geborene und in Oakland aufgewachsene "Black Panther of Rap", der mit bürgerlichem Namen Oscar Jackson heißt, ist nur einer von vielen HipHop-Aktivisten, die Bush und sein Kabinett "im Visier" haben.

Ausgelassen jubelnde Afroamerikaner vor dem brennenden Weißen Haus in Washington D.C., ein Amoklauf im Oval Office, dem u.a. Vater und Sohn Bush zum Opfer gefallen sind, oder der kommende Woche in Wien erwartete US-Präsident im Fadenkreuz einer Präzisionswaffe, umrahmt von der sarkastischen Frage "Where is Lee Harvey Oswald now that we really need him?" (Wo ist der Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald, jetzt wo wir ihn wirklich brauchen?): Schon das Artwork diverser Rap-Tonträger ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass der "Black CNN", wie Public-Enemy-Mastermind Chuck D die Musik der HipHop-Kultur zu bezeichnen pflegt, wieder vermehrt "Widerstandsprogramm" sendet. In der Ära George W. Bush erlebt "rap as a voice of resistance" in den USA seine Renaissance.

"Sonic Jihad"

So hat die eingangs beschriebene "Mordfantasie" - die 1992 veröffentlichte Nummer "Bush Killa" - mittlerweile zwar schon 14 Jahre auf dem Buckel, doch durch die Präsidentschaft von Bush jr. ist sie wieder aktuell. Deshalb nutzte Paris, der abseits seines musikalischen Schaffens ein überaus erfolgreicher Investment-Banker ist, die Chance und legte sein vieldiskutiertes Album "Sleeping With The Enemy" als Special Edition wieder neu auf, und zwar mit jenem Cover, das seine ehemalige Plattenfirma Tommy Boy Anfang der 90er noch verhindert hatte: Paris, mit einer automatischen Waffe im Anschlag hinter einem Baum versteckt, lauert George Bush senior vor dem Kapitol in Washington auf.

Unmittelbar zuvor hatten schon Artwork und Titel seines bisher letzten Albums, "Sonic Jihad" (Guerrilla Funk Recordings, 2003), Aufsehen erregt: Auf der Vorderseite des Tonträgers ist nämlich ein Passagier-Flugzeug, das im Kamikaze-Stil auf das Weiße Haus zusteuert, abgebildet. In den USA darf diese CD deshalb nur in einer schwarzen Karton-Schutzhülle, die das wahre Cover verdeckt, verkauft werden.

"Dieses Album ist eine brutale Verurteilung der aktuellen gesellschaftlichen Übel", erklärt Paris, warum er zum "Sonic Jihad" gegen die Bush-Administration aufruft. Im Mittelpunkt seiner "lyrischen Attacken" steht dabei die - ausgelöst durch die "mit Wissen der US-Regierung ausgeführten Terroranschläge am 11. September 2001" - vom US-Präsidenten angestrebte "Neue Weltordnung", die bereits "Papa Bush" habe realisieren wollen.

"Der so genannte Krieg gegen den Terror dient in Wirklichkeit nur der Machtausweitung der US-Regierung mit Diktator Bush an der Spitze. Ich hasse nicht Amerika, sondern seine ungerechten, rassistischen und unterdrückerischen Praktiken", betont Paris, der im Moment an einem "neuen revolutionären Rap-Album" arbeitet.

"Brothers in Rhyme"

Mittlerweile hat der Politaktivist aus der Bay Area neben seinem alten Freund und "brother in rhyme", Chuck D, auch eine Reihe neuer Verbündeter für seinen in der Traditon des "jihad of words" und Selbstverteidigungskonzepts von Malcolm X stehenden lyrischen Kampf gegen "den neokolonialistischen Amoklauf" der US-Machthaber gefunden. Vor allem der in einem peruanischen Militärkrankenhaus geborene Immortal Technique, der seit seiner Jugend in Harlem lebt, und das in Brooklyn ansässige Duo dead prez bilden gemeinsam mit Paris und Public Enemy die Speerspitze des revolutionären Flügels der Rap-Musik, der mitunter kommerzielle Erfolge verbuchen kann. So verkaufte etwa Immortal Technique ohne Unterstützung einer großen Plattenfirma bzw. Werbekampagne mehr als 50.000 Einheiten seines Albums "Revolutionary Vol. 2" (Viper Records, 2003).

Vor allem im Internet verfügt der gebürtige Peruaner inzwischen über eine riesige Fan-Base, die bereits sehnsüchtig auf sein neues Album "The Middle Passage" wartet. Diesen Ruhm verdankt er nicht nur seinen lyrischen Fertigkeiten, sondern zum Teil auch DJ Green Lantern. Der in den USA überaus bekannte Plattendreher und ehemalige DJ von Superstar Eminem hat u.a. Immortal Techniques Single "Bin Laden" produziert und diese gleich auf dem "Sirius Bizness"-Mixtape (2004) von Eminem ideal platziert. Und auch auf seiner Anfang 2006 erschienenen Mix-CD "Alive On Arrival" hat Green Lantern wieder einen "Anti-Bush-Track" mit Immortal Technique eingestreut, der ganz nach dem Geschmack von Paris und Co. ist: "Impeach The President!"

"Jihad of Words"

Das von Public-Enemy-Frontmann Chuck D in der Rap-Musik revitalisierte Widerstandskonzept "jihad of words" hat eine lange Tradition. Der "mit Worten geführte Jihad" war und ist vor allem für afrikanisch-amerikanische Moslems von besonderer Bedeutung, da dieser für sie die einzige Möglichkeit darstellt(e), im "Kampf" gegen ein übermächtiges System ihren Einfluss zu vergrößern.

Steven Barboza, Autor des Buches "American Jihad: Islam after Malcolm X" (Doubleday, 1994), charakterisiert in diesem Zusammenhang beispielsweise den "jihad of words" von Widerstandsaktivist Malcolm X als "Kritik am weißen Amerika, die Schwarzen eine psychologische Alternative bot". Diese These von Barboza besagt also, dass auch Nicht-Moslems vom "jihad of words" profitieren können. Der Wissenschafter Richard Brent Turner, der sich in einer Studie mit "Islam In the African-American Experience" (Indiana University Press, 1997) beschäftigt hat, kommt in seiner Analyse zu einem ähnlichen Schluss.

Afrikanisch-amerikanische Oppositionelle wie Louis Farrakhan von der Nation of Islam und zahlreiche Rapper, etwa Chuck D, Paris oder Immortal Technique, haben diese Tradition des "jihad of words" fortgesetzt. Die Wurzeln dieses mit Worten geführten Jihads reichen zurück bis zur Ankunft des ersten Sklavenschiffes 1619 in Jamestown (US-Bundesstaat Virigina), da er für Afroamerikaner schon damals eine effiziente Möglichkeit bot, das dominante unterdrückerische System zu unterminieren und auf diese Weise zu bekämpfen.

"Worte als Waffen"

HipHop-Aktivisten verfolgen mit dieser "Worte als Waffen"-Taktik, deren bekanntester Vertreter der 1965 ermordete Malcolm X war, die "klassischen Jihad-Ziele" Expansion und Opposition, wobei sich letztere nicht nur gegen den Status quo, sondern mitunter gegen Mitglieder der HipHop-Szene richten kann. Im Zuge dieses internen Diskurses geraten in erster Linie Vertreter von inhaltsleerem, nihilistischem sowie stereotypem Gangsta-Rap, zuletzt vor allem der kommerziell extrem erfolgreiche Superstar 50 Cent, ins Visier der in der Tradition des "jihad of words" stehenden Reimschmiede.

Ein Musterbeispiel für dieses Widerstands-Konzept in der Rap-Musik, das ein rassistisches System mit der Macht der Worte zerstören will, ist das dritte Public-Enemy-Album "Fear Of A Black Planet" (Def Jam, 1990). Auf diesem klagt Chuck D neben rassistischen Praktiken der ausbeuterischen Musikindustrie ("Who Stole The Soul?") und der Filmmetropole Hollywood ("Burn Hollywood Burn"), die ebenso wie das Fernsehen entscheidend zur Stereotypenbildung gegen Afroamerikaner beigetragen hat, u.a. auch die Gewalt unter Afroamerikanern - "black-on-black-crime" ("Welcome To The Terrordome") - an, die bereits unzählige Opfer gefordert hat. (APA)