Bild nicht mehr verfügbar.

Peter Macdiarmid/Getty Images
Frankfurt offenbarte ganz besonderen Größenwahn in der Fußball-Hysterie. Der deutschen Bankenmetropole am Main reichte es nicht, wie alle anderen Städte nahezu das komplette gesellschaftliche Leben auf den großen Kick auszurichten und die Straßen mit Millionen von Bällen zu schmücken. Nein, in Frankfurt musste es noch etwas größer und vereinnahmender zur runden Sache gehen.

Am Pfingstwochenende wurden nächtens die Wolkenkratzer des Bankenviertels als Leinwände missbraucht und mit einer Audio-Video-Show bespielt. Thema: die WM-Geschichte. Zu WM-Beginn ist das Spektakel zwar vorüber, fußballfreie Zonen gibt es in der Stadt mit der spektakulärsten Skyline Europas unterdessen weiterhin wenige. Das schöne Main-Ufer zwischen Eisernem Steg und Ignatz-Bubis-Brücke verwandelt sich in eine riesige Main-Arena. Auf dem Fluss wird eine 140 Quadratmeter große LED-Leinwand schwimmen, auf der 40.000 Zuschauer von beiden Ufern aus die Fußballspiele verfolgen sollen.

Besuche der zahlreichen Museen am benachbarten Museumsufer sind daher kaum ohne Fußball-Nebengeräusche möglich, zumal sich viele Ausstellungen ohnehin der angeblich schönsten Nebensache der Welt widmen. Doch fern des Mains und all des WM-Trubels gibt es immer noch genug Kulturhighlights - ohne Fußballbelagerung.

Futter für Kunstfans

Das Viertel um das Museum für Moderne Kunst und die Schirn-Kunsthalle bietet jede Menge Futter für Kunstfans. Rund um die beiden renommierten Museen haben sich in der Fahrgasse in jüngster Zeit etwa 20 Galerien angesiedelt - garantiert fußballfreie Zonen. Beste Abendunterhaltung bietet auch der Tigerpalast, Frankfurts renommiertes Varieté-Theater. Von Zauberei bis Akrobatik versammelt sich hier internationale Klasse zu einer Show der Superlative. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass ein Artist auf die Idee kommt, mit Fußbällen zu jonglieren - so viel Toleranz muss sein.

Wer dem WM-Overkill in die Natur entfliehen will, ist im Palmengarten gut aufgehoben - es sei denn, die Gärtner kommen noch auf die Idee, die Baumkronen in Kugelform zurechtzuschneiden. Das städtische Grün im schmucken Stadtteil Westend ist genau das Richtige für eine Auszeit von 90 Minuten plus eventueller Verlängerung.

Nach einem Rundgang durch die Gartenanlagen und die klimatisierten Gewächshäuser mit tropischen Pflanzen bis hin zu einer subarktischen Landschaft im Glaspavillon können sich die Besucher auf Liegestühlen niederlassen und die fußballgeplagte Seele baumeln lassen.

Wer noch mehr Erholung anstrebt, der sollte sich aus der Frankfurter Innenstadt entfernen und den nahe gelegenen Mittelgebirgszug Taunus ansteuern. Dessen Zentrum Bad Homburg ist eine Oase der Wellness, nicht nur wegen der großen Taunus-Therme. Während der WM lockt die Stadt mit dem Frauen-Sparangebot "Women's Match 4:3". Vom Golfspielen über einen Tag auf der Wellness-Farm oder auf den Spuren der Römer am nahe gelegenen Limes bis hin zum Shoppen müssen vier Frauen nur dreimal bezahlen. Wer dann doch fürchtet, bei all dem Erholungsbedürfnis den Kontakt zum Fußball vollends zu verlieren, dem sei das Stadionbad ans Herz gelegt. Eines der schönsten Frankfurter Freibäder liegt praktischerweise direkt neben der WM-Arena. Also: Mann ins Stadion schicken und etwas für den Teint tun. (Birgit Ostermann/Der Standard/rondo/16/6/2006)