Paris - Nach der heftigen Kritik an der Entscheidung der französischen Justiz, im Fall des skandalösen Pädophilie-Verfahrens von Outreau keine Disziplinarmaßnahmen zu verhängen, hat Justizminister Pascal Clément überraschend den Obersten Rat der Richter eingeschaltet. Dieser solle nun über die Verantwortung des damaligen U-Richters Fabrice Burgaud und von Staatsanwalt Gérald Lesigne für den Justizirrtum entscheiden.

Clément kündigte im französischen Radio am Sonntag an, er sei bereit, dessen Urteil anzunehmen - wie auch immer es ausfallen werde.

Am Freitag war die Justizinspektion zum Schluss gekommen, dass sich die Justiz in dem Fall "zahlreiche Versäumnisse"zu Schulden kommen habe lassen, dass aber keine Disziplinarmaßnahmen gerechtfertigt seien.

Bei dem Justizskandal waren Anfang 2001 zunächst 17 Menschen aus der nordfranzösischen Trabantenstadt Outreau als Mitglieder eines Ringes von Kinderschändern verdächtigt worden. Vier von ihnen erhielten Strafen von bis zu 20 Jahren, alle 13 anderen wurden freigesprochen. Die auf Grund von Falschaussagen und irreführenden psychologischen Gutachten zu Unrecht Angeklagten waren teilweise Jahre unschuldig in U-Haft und hatten das Sorgerecht für ihre Kinder verloren. Besonders U-Richter Fabrice Burgaud wird kritisiert.

Eine erschreckende, mögliche Parallele zeigt sich im deutschen Saarbrücken, im Prozess um den Tod und Missbrauch des fünfjährigen Buben Pascal: 13 Männer und Frauen stehen seit 2004 vor Gericht - alle sechs noch in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten wuden am Montag auf freien Fuß gesetzt. Es gibt nun "erheblichen Zweifel"an der Anklage. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.6.2005)