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Der Präsident ermuntert und ermahnt den Kapitän, Cafu lauscht gespannt oder ergriffen.

Foto: REUTERS/Jamil Bittar
Brasilia - Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat in einer Videoschaltung die Fußball-Nationalelf seines Landes ein wenig, naja: unter Druck gesetzt. "Niemand akzeptiert hier die Möglichkeit, dass Brasilien nicht Weltmeister wird", sagte der Staatschef am Donnerstag aus dem Regierungspalast in Brasilia zu Trainer Carlos Parreira, Mannschaftskoordinator Mario Zagallo und Kapitän Cafu. Darüber herrsche in Brasilien absolute Einstimmigkeit.

Allerdings beschränkte sich Lula keineswegs aufs präsidentielle "Hoppauf, Burschen!". Auch so manche Sorge kam zur Sprache. Ronaldo zum Beispiel: "Ist er nun zu dick oder nicht?", fragte Lula. Parreira antwortete geschickt, beinahe wie ein gelernter Politiker: "Er ist sehr stark. Er ist nicht mehr der kleine Junge von damals."1994 in den USA war es, als Ronaldo erstmals aufzeigen und -geigen durfte. Jetzt aber sorgt sich die Nation um ihn, nicht nur seiner Leibesfülle wegen, Ronaldo war am Donnerstag leicht fiebrös, Parreira beruhigte aber: "Meine Aufstellung steht, und Ronaldo wird spielen."

Am Donnerstag ist Ronaldo jedenfalls nicht aufgelaufen, als die Seleção in Offenbach zum öffentlichen Training gerufen hat. Immerhin 22.500 Fans waren gekommen, um die Stars zu begutachten. Zuvor musste der Platzmeister der Kickers ausrücken: vorm Tor wurde ein neuer Rollrasen verlegt, weitere Löcher wurden mit Sand gestopft.

18.500 Tickets für dieses Training - das letzte vorm brasilianischen WM-Start am Dienstag gegen Kroatien - wurden verschenkt, innerhalb von zwei Stunden waren sie vergriffen. Um sich innerhalb auch nur kurzer Zeit auf dem Schwarzmarkt wieder zu finden. Im Internet wurden zwischen 30 und 75 Euro geboten.

Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira bat seine Stars zur Freude der Zuschauer im Laufe der Übungseinheit auch zu einem Trainingsspiel. Dabei ersetzte Robinho Ronaldo.

Sportlich war es eine rechte Freude, hört man. Sicherheitsmäßig versagte der deutsche Ordnerdienst allerdings komplett. Denn während die 400 Securitys wie gebannt aufs Spielfeld blickten, stürmte hinterrücks ein zehnjähriger Jugendliche - manche sagen: ein Bub - das zernierte Gelände. Als sie den Angriff auf die Unversehrtheit der ihnen überantworteten Südamerikaner erkannten, war es beinahe schon zu spät. Forsch ergriffen sie den Störer. Allerdings störte dann Ronaldinho. Er erbat sich Freiheit für den Buben, die wurde kurz gewährt, sodass der lächelnde Stürmer dem Stürmer ein Autogramm aufs Leiberl praktizieren konnte.

Nicht nur das goutierte der Staatspräsident. Die sportliche Phase, in der die Mannschaft von Titelverteidiger Brasilien sich befinde, würdigte Lula, der bei der Schaltung neben Frau Marisa und Sportminister Orlando Silva saß, als "magisch". Er empfahl den Spielern der Seleção, die Ruhe zu bewahren. "Ruhe und Hühnersuppe sind nie jemandem schlecht bekommen", sagte der Staatschef und frühere Gewerkschaftsführer in einer für ihn nicht ganz untypischen Art.

Alles ruhig

Coach Parreira beruhigte Lula und versicherte: "Mit Arbeit und Seriosität können wir die Erwartungen erfüllen."Man werde sich der Welt stellen, die Brasilien besiegen wolle. Cafu versicherte auch: "Alle Spieler sind ruhig. Auch die jüngeren Nationalspieler sind bereits sehr erfahren."

Die Brasilianer wollten, erläuterten sie ihrem Staatschef minutiös, jedenfalls das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Costa Rica nicht verpassen, was eine kleine, wenn auch keineswegs genehmigungspflichtige Umstellung des Stundenplans zur Folge habe. "Wir werden unser Training eine halbe Stunde früher beginnen, damit wir uns die Partie im Fernsehen anschauen können", so Parreira. Lula hatte dagegen keinen Einwand vorgebracht, nur eine Art Bitte: "Glänzt bei dieser WM!"In Brasilien, berichtete Lula dann aus Brasilia nach Deutschland, sei die diesbezügliche Euphorie enorm. Und er, der Präsident, könne diese nur teilen: "Kein Name fehlt. Unsere besten Spieler sind vor Ort."Das Land, das im Oktober wieder zur Präsidentenwahl schreitet, werde während der Matches nicht still sein, sondern stillstehen, kündigte Lula an, der im Oktober natürlich wieder antreten will.

Das taugte natürlich den Herren in Deutschland. Cafu bedankte sich herzlich für den moralischen Beistand des obersten Brasilianers. Mario Zagallo begab sich auf die Suche nach einem Elektriker, denn "wenn ich vor der Operation WM auf 110 Volt war, bin ich jetzt bei 220 angelangt". Und Luiz Inácio Lula da Silva sagte: "Gott schütze euch." (DER STANDARD, Printausgabe, Samstag, Sonntag, 10., 11. Juni 2006, sid, wei)