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Putin mit Medwedjew in den Wandelgängen des Kreml: Die Präsidentschaftswahlen finden im Jahre 2008 statt.

Foto: AP
Er ist kaum größer als der russische Präsident. Stammt wie dieser aus St. Petersburg und war sein Stabschef. Vizepremier Dmitri Medwedjew, 40 Jahre alt, ist Favorit für die Nachfolge Putins. Beobachtungen von Gerfried Sperl bei einem Mittagessen in Moskau.

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Drei Sicherheitslinien hatten die Vorstandsmitglieder des Weltverbands der Zeitungen und des Weltforums der Chefredakteure zu passieren, um in den extra aufgezogenen Speisesaal in der Manege zu gelangen, der ehemaligen Reithalle des Zarenhofs. Gast und durch einen Stromausfall behinderter "Key Note Speaker" war am Dienstag nach Pfingsten Dmitri Medwedjew, Vizepremier Rußlands und in dieser Funktion mit der Verwirklichung von "Zukunftsprojekten" betraut.

Auf die er sich gleich bezog, als man fragte, ob er die Nachfolge Wladimir Putins anstrebe. Zuerst müsse er diese Projekte umsetzen, wich er aus, also sei auch ein Scheitern möglich. Dann gehe er eben in die Industrie zurück.

Hobby-Komponist

Die "Industrie", das ist vor allem der Energiekonzern Gazprom, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Medwedew ist. Er, Vorstandsvorsitzender Alexej Miller und eben Putin arbeiteten bereits in der Stadtverwaltung von Leningrad eng zusammen, wo der heutige russische Präsident einige Jahre Vizebürgermeister war. Die "Industrie", das kann auch die Unternehmensgruppe "Alfa"sein, wo mit Michail Fridman und Pjotri Awen andere Putin- Freunde werken.

Die meisten von ihnen sind Juristen wie Medwedjew, der in sein derzeitiges Amt vergangenen November berufen wurde. Seine Kompetenzfelder sind breiter: Jura-Dozent an der Uni in Leningrad, außenpolitischer Berater des Bürgermeisters, dann die Verwaltungskarriere und daneben Hobby-Musiker, der Lieder komponiert.

Sichtlich verärgert über den Stromausfall und kurzfristig von Russisch in exzellentes Englisch wechselnd, sah Medwedew davon ab, den Verlegern und Journalisten eine Lektion in Sachen Gazprom zu erteilen. "Stellen Sie Fragen."Und sie wurden gestellt. Warum sind zuletzt nahezu alle TV-Kanäle und grßeren Zeitungen von der Gazprom aufgekauft oder sonst wie unter Regierungskontrolle gestellt worden?

Etliche dieser Medien seien vor dem Bankrott gestanden, antwortete der Vizepremier, die Medienholding der Gazprom habe sie wieder profitabel gemacht. "Irgendwann werden die Beteiligungen reduziert,"fügte er hinzu.

Verleger-Präsident Gavin 0'Reilly aus Dublin hatte am Vortag in Gegenwart von Putin die Lage der Medien in Russland scharf kritisiert. Ziemlich geschickt gab Medwedjew dem Iren "im Prinzip"recht, erinnerte ihn aber daran, dass "die Zivilgesellschaft in Russland erst im Aufbau"sei.

Teil Europas

Die Frage, wohin Russland zu zählen sei, beantwortete der Putin-Vertraute ohne zu zögern mit: "Wir sind ein Teil Europas". Dazu gehörten auch Energie-Verpflichtungen gegenüber den europäischen Partnern. Gazprom werde jedoch gleichzeitig Expansionen nach Asien und außer Öl, Erdgas und Medien in weitere Geschäftsfelder suchen.

Diese Haltung Medwedjews wird als marktwirtschaftliche Ambition des "liberalen"Lagers im Kreml gewertet. Bedeckt hielt sich der Vizepremier, als er nach den Ursachen der Absetzung des obersten Staatsanwalts Vladimir Ustinov gefragt wurde. Ustinov gilt als einer der Anführer des zweiten Lagers, der "Silowiki", die Interessen des Militärs und es Geheimdienstes vertreten.