Geschlechterpolitik
Alarm um 7.000 Jugendliche
Wo sind sie geblieben?
Wien - Lorzenz Lassnigg vom Institut für Höhere Studien (IHS) schlägt
Alarm: 7.000 15 -jährige Jugendliche tun nach der Pflichtschule nichts,
sie gehen weder in weiterführende Schulen noch ergreifen sie eine Lehre.
Tendenz steigend. Waren es vor zehn Jahren noch 6 Prozent der
Jugendlichen, sind es heute 8 Prozent. Mädchen sind mit einer Quote von
über neun Prozent stärker betroffen als Burschen mit knapp unter acht
Prozent. Das ergab eine Studie des IHS.
Was mit den Jugendlichen passiert, darüber kann Lassnig nur rätseln: ob
sie Hilfsarbeiten erledigen oder Gelegenheitsjobs machen oder zu Hause
bleiben und sich - aus Protest gegen die Eltern? - der
Leistungsgesellschaft verweigern, zu Drogen greifen, das kann der
Bildungsexperte beim besten Willen nicht sagen. Eine Ursache könnte auch
der Frust der Jugendlichen über schulische Mißerfolge sein. "Wir wissen
es einfach nicht und das ist schlecht" gibt Lassnigg zu. Er schlägt vor,
nach den genauen Ursachen zu forschen.
Seine Sorge ist berechtigt: Denn schätzungsweise die Hälfte der
"Verschwundenen" hat nicht einmal einen positiven Pflichtschulabschuß.
Für die Zukunft verheißt das nichts Gutes, denn nachweislich ist das
Arbeitslosigkeitsrisiko bei Menschen ohne Lehrabschluss und ohne
Pflichtschulabschluss doppelt so hoch als sonst. Gerade für junge
Menschen, die am Anfang ihrer Berufslaufsbahn stehen ist das ein
schwerer Klotz. Bei den Mädchen vermutet Lassnig, dass sie auch heute
noch in einjährige Haushaltungsschulen geschickt werden, um das zehnte
Schuljahr hinter sich zu bringen.
Bilungsministerin Elisabeth Gehrer reagiert auf die IHS-Studie
zurückhaltend. "Wir werden uns genau anschauen müssen, ob diese Zahlen
des IHS überhaupt stimmen", sagte die VP-Ministerin kürzlich in einer
Pressekonferenz, bei der sie den "Pakt für die Jugend" präsentierte.
Beim IHS hat sie bisher weder Gehrer noch ihre Beamten gemeldet.
Experte Lassnig indes ist sich seiner Sache sicher. Das IHS hat im
Rahmen der vierteljährlichen Mikrozensus-Erhebungen verschiedene
Haushalte befragt und die bedenkliche Tendenz festgestellt. Selbst
mögliche Stichprobenfehler würden am festgestellten Trend nichts ändern.
Die offizielle Statistik dagegen habe immer unterstellt, dass die nach
der Pflichtschule ausscheidenden Jugendlichen alle 15 Jahre alt seien
und sei auf gleichbleibende Werte von zwei bis drei Prozent gekommen.
"Im Vorjahr kam die offizielle Statistik erstmals auf negative Werte.
Da haben wir gewusst, das kann nicht stimmen", schildert Lassnig.
(Lydia Ninz)