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Peter Handke

Foto: AP/Andreas Kolarik
Düsseldorf – Allfälligen unerquicklichen Debatten im Düsseldorfer Stadtparlament über die Vergabe des Heinrich-Heine-Preises an ihn ist Autor Peter Handke nunmehr zuvorgekommen: In einem Brief an Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) teilte der in Paris wohnhafte Handke seine Ablehnung des ihm durch eine zwölfköpfige Jury zugedachten Preises mit. Er, Handke, wolle seine Person und sein Werk "nicht den Pöbeleien von Parteipolitikern" aussetzen, schrieb der Dichter, dessen Post gestern seitens der Stadt publik gemacht wurde.

Oberbürgermeister Erwin sagte in einer ersten Reaktion, er bedauere Handkes Entschluss "zutiefst": "Ich respektiere jedoch seine Entscheidung, gerade nach all dem, was in den letzten beiden Wochen über ihn hereingebrochen ist."

Die von der Jury beschlossene und vom Stadtrat wieder infrage gestellte Auszeichnung Handkes war wegen seines Eintretens für die serbische Politik im In- und Ausland heftig kritisiert worden. Die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen im Düsseldorfer Stadtrat hatten sich darauf verständigt, gegen die Auszeichnung Handkes zu stimmen, die CDU schloss sich zögerlich an. (poh/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.6.2006)

Handkes Schreiben im Wortlaut

"Lieber Joachim Erwin, lieber Oberbürgermeister -

ihre freundliche Stimme noch im Ohr, möchte ich ihnen sagen, welch gute Überraschung dieser Heinrich-Heine-Preis war, erst einmal für mich, der sich überhaupt keinen Preis mehr erwartet hatte, und wie er solch eine Überraschung weiterhin ist, gut vielleicht weniger für mich persönlich als für ein endliches allgemeines Auftauen, so scheint es inzwischen zumindest, der gefrorenen Blicke und Sprache in Hinsicht auf das jugoslawische Problem, einschließlich des Prozesses gegen Slobodan Milosevic, wie das ja wohl auch Sie sich gewünscht haben.

Doch ich schreibe Ihnen heute zusätzlich, um Ihnen (und der Welt) die Sitzung des Düsseldorfer Stadtrats (heißt das so?) zu ersparen, womit der Preis an mich für nichtig erklärt werden soll, zu ersparen auch meiner Person, nein, eher dem durch die Öffentlichkeit (?) geisternden Phantom meiner Person, und insbesondere zu ersparen meinem Werk, oder meinetwegen Zeug, welches ich nicht wieder und wieder Pöbeleien solcher wie solcher Parteipolitiker ausgesetzt sehen möchte.

Ich bitte Sie - so das in Ihrer Macht steht -, die Sitzung oder Veranstaltung auf den Nimmerleinstag zu verschieben und stattdessen die Stadträte an die frische Luft zu entlassen, z.B. zu einem Picknick an den Rhein.

Schade ist vielleicht nur, dass ich im Dezember einiges hätte darlegen können zum Unterschied zwischen journalistischer und literarischer Sprache und dass ich nun in Düsseldorf-Rath sowie in der Gartenstraße beim Hofgarten meine Streunereien vor 35, 40 Jahren nicht wiederholen kann. Aber dafür werde ich bald wieder einmal vor dem Grab Heinrich Heines auf dem Friedhof von Montmartre stehen - der Friedhof ist nicht weit von meinem Kaff hier. Und seien Sie nochmals bedankt, lieber Joachim Erwin, für Ihre Aufgeschlossenheit - die Sie sich für Ihr Tun und Lassen bewahren mögen. Herzlich, Ihr Peter Handke" (APA/dpa)