Ein Sujet der neu initiierten Kampagne des Vereins Wiener Frauenhäuser.
Plakat: Verein Wiener Frauenhäuser

Wien - Die Wiener Frauenstadträtin Sonja Wehsely, die Vorsitzende Verein Wiener Frauenhäuser Martina Ludwig und Frauenhäuser-Geschäftsführerin Andrea Brem präsentierten am Donnerstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz eine neue Kampagne der Frauenhäuser, die das Tabuthema familiäre Gewalt und die neue zentrale Notrufnummer ins öffentliche Bewusstsein rücken soll.

Zahlen

578 Frauen und 528 Kinder lebten im Vorjahr in den vier Wiener Frauenhäusern, 3.059 Notrufe gingen ein. In der ambulanten Beratungsstelle fanden 6.195 Beratungskontakte statt. 30.107 Aufenthaltstage von Frauen und 29.063 Aufenthaltstage von Kindern wurden insgesamt im Jahr 2005 gezählt. 47 Frauen und ihren Kindern konnte in Nachbetreuungswohnungen des Vereins weitergeholfen werden. Das bedeutet einen Anstieg der Hilfesuchenden im Vergleich zu 2004: Im Jahr 2004 lebten 516 und 453 Kinder in Wiens Frauenhäusern und es gab 2.987 Notrufe. In der ambulanten Beratungsstelle fanden 6.147 Kontakte statt. 46 Frauen und 48 Kinder fanden 2004 in einer Nachbetreuungswohnung Unterschlupf. Insgesamt wurden 2004 28.764 Aufenthaltstage von Frauen und 24.670 Aufenthaltstage von Kindern gezählt.

Die Hälfte der Betroffenen schweigt noch immer

Misshandelten Frauen Unterstützung und Hilfe zu geben, ist Aufgabe des Vereins Wiener Frauenhäuser. "Aber Hilfseinrichtungen können nur helfen, wenn sich Menschen auch an sie wenden", so die Frauenstadträtin. Studien zu Folge gebe es hier noch Informationsbedarf.

Im Rahmen einer deutschen Studie zum Thema "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" aus dem Jahr 2004 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurden von Gewalt betroffene Frauen über den konkreten Hilfs- und Unterstützungsbedarf befragt. Dabei zeigte sich: Frauen, die Gewalthandlungen erlebt haben, sprechen nach wie vor sehr oft mit niemandem über das Ereignis (40 bis 50 Prozent der Frauen). Am ehesten vertrauen sie sich FreundInnen und Menschen aus dem engsten Familienkreis an. Dass es für Gewaltopfer professionelle Hilfseinrichtungen gibt, wussten ein Drittel der befragten Frauen nicht.

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Neue Kampagne gegen Gewalt und neue zentrale Notruf-Nummer

Vor wenigen Monaten haben die Wiener Frauenhäuser eine zentrale Notruf-Nummer eingerichtet. Unter der Telefonnummer 05 77 22 finden Gewaltopfer nun rund um die Uhr Beratung und erfahren, in welchem Frauenhaus geeignete Plätze frei sind. Auch persönliche Gesprächstermine können unter dieser Telefonnummer vereinbart werden.

Um die Bekanntheit der Wiener Frauenhäuser und ihrer Helpline weiter zu steigern, hat der Verein mit freundlicher Unterstützung der Agentur FCB Retail außerdem eine neue Kampagne gegen Gewalt an Frauen gestartet. Unter dem Titel "Wenn Liebe weh tut: 05 77 22" wird häusliche Gewalt auf plakative Weise thematisiert, gleichzeitig rückt die Kampagne die zentrale Helpline der Frauenhäuser ins Bewusstsein. Geschäftsführerin Andrea Brem: "Durch die Kampagne sollen nicht nur misshandelte Frauen erreicht werden, denn oft sind es auch Bekannte und Verwandte, die Betroffene über die Schutzeinrichtung Frauenhaus informieren. Wir alle sind gefordert, Gewaltopfer zu unterstützen, die Zivilcourage jedes einzelnen Menschen zählt." Für die fotografische Umsetzung der Kampagne konnte die weltweit bekannte Fotografin Elfie Semotan gewonnen werden. Sowohl FCB Retail als auch Elfie Semotan stellten ihr Know-How kostenlos zur Verfügung.

Auch Kinder sind von Gewalt betroffen

Auch die Kinder, die in den Frauenhäusern leben, sind von Gewalt betroffen; viele wurden selbst misshandelt. Praktisch alle Kinder aber wurden Zeugen der Gewalt an der Mutter. Martina Ludwig, Vorsitzende des Vereins: "Die gezielte Unterstützung dieser Kinder ist unerlässlich, damit die Spirale der Gewalt unterbrochen wird. Daher werden auch die Kinder im Frauenhaus durch eigens dafür angestellte Psychologinnen und Psychotherapeutinnen betreut." Die Frauenhäuser sind somit nicht nur eine Schutzeinrichtung für misshandelte Frauen, sondern auch für von familiärer Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche.

Zahl der Nachbetreuungswohnungen wird bis 2010 verdoppelt

Der Schritt aus dem geschützten Raum des Frauenhauses ist für die Frauen oft mit Angst und Unsicherheit verbunden. Die Trennung vom Gewalttäter ermöglicht zwar ein gewaltfreies Leben, aber viele neue Herausforderungen warten: finanzielle Stabilisierung, Orientierung auf dem Arbeitsmarkt, alleinige Kinderbetreuung und vieles mehr. Der Start in den neuen Lebensabschnitt wird außerdem oft von posttraumatischen Belastungsstörungen, die als Folge von andauernden Misshandlungen auftreten können, belastet.

Das Nachbetreuungsmodell des Vereins Wiener Frauenhäuser liefert auch in dieser schwierigen Phase Unterstützung: So genannte Nachbetreuungswohnungen bieten Frauen und ihren Kindern, die nicht mehr akut von Gewalt betroffen sind und daher das Frauenhaus verlassen können, eine vorübergehende Bleibe. Nach einer Gewalterfahrung und einem Aufenthalt im Frauenhaus sind diese Wohnungen im Idealfall die letzte betreute Station vor dem Sprung in ein neues Leben.

Ausweitung der Nachbetreuungskosten

Um diese Hilfe noch mehr Frauen als bisher anbieten zu können, investiert die Stadt ab heuer in den Ausbau dieses Nachbetreuungsangebotes, so Wehsely. Konkret soll bis 2010 die Zahl der Nachbetreuungswohnungen von derzeit 25 auf 50 verdoppelt werden. Jährlich werden fünf zusätzliche Wohnungen angemietet und adaptiert. Die Gesamtkosten für diese Ausweitung beziffert Wehsely mit knapp 100.000 Euro. (red)